Das Lied der Maori
spitzbübisch sah sie Tim über ihr Instrument an, als er seinen Musikwunsch äußerte.
Tim lachte ihr zu und zwinkerte verschwörerisch.
»Der
Silver Dagger?
Oh, den möchte ich Ihnen abgewöhnen, Miss Lainie. Es würde mich nervös machen, würde meine Frau ständig einen Dolch mit sich herumschleppen.«
Lainie runzelte die Stirn. »Ihre Frau?«
Tim nickte ernst. »Ja, Miss Lainie. Ich habe mich entschlossen, Sie zu heiraten.«
Elaine, die gerade einen Schluck Tee aus ihrem Whiskyglas nehmen wollte, hätte es beinahe fallen lassen.
»Warum?«, fragte sie tonlos.
Tim rettete das Glas. »Vorsicht, der schöne Whisky! Ich glaube, ich muss Ihnen mal einen richtigen bestellen. Sie sehen ein bisschen blass aus.«
»Warum?«, wiederholte Lainie. Nur der ständige Wechsel zwischen Röte und Blässe in ihrem Gesicht spiegelte ihren inneren Aufruhr wider.
»Nun«, meinte Tim schließlich, und seine Augen lachten dabei. »Ich beobachte Sie jetzt seit einigen Wochen. Sie sind wunderschön, Sie sind klug, Sie sind mutig ... Sie sind die Frau, von der ich mein Leben lang geträumt habe. Ich habe mich in Sie verliebt, Miss Lainie. Soll ich jetzt gleich vor Ihnen auf die Knie fallen, oder warten wir damit noch ein wenig?«
In Lainies Augen stand mühsam unterdrückte Furcht.
»Ich verliebe mich nicht!«, stieß sie hervor.
Tim nickte.
»Das dachte ich mir schon«, meinte er gelassen. »Aber das lässt sich ändern. Und es ist ja auch kein Strohfeuer erwünscht. Nehmen Sie sich nur Zeit zum Verlieben, Miss Lainie. Lassen Sie sich nicht hetzen ...«
»Nicht in diesem Leben!« Lainies Stimme klang jetzt ein wenig schrill. Sie versteckte sich wieder hinter ihrem Haarvorhang und senkte den Kopf über die Tastatur des Klaviers. Tim war besorgt. Wenn er es jetzt nicht schaffte, sie aus der Reserve zu locken, würde sie sich wieder in ihr Schneckenhaus zurückziehen.
Tim schürzte die Lippen, doch seine Augen lächelten. »Das macht die Sache natürlich ein bisschen schwieriger«, sagte er. »Ich werde mit dem Reverend reden müssen, wie es mit Eheschließungen nach der Auferstehung aussieht. Vielleicht traut er uns dann ja auf einer Wolke? Andererseits stelle ich mir ein solches Eheleben ziemlich eintönig vor. Und indiskret. Ich würde mir ungern von aller Welt auf die Wolke gucken lassen ...«
Er warf einen Seitenblick auf Lainie, die sich zumindest wieder aufgerichtet hatte.
»Also wäre es vielleicht besser, wir suchen uns eine andere Religion«, führte er weiter aus. »Eine, die uns mehr als ein Leben spendiert. Irgendwo glaubt man doch an Wiedergeburt. In Indien, nicht wahr?«
Lainie blinzelte unter ihrem Haarvorhang vor. »Aber womöglich wird man als Tier wiedergeboren. Als Pferd oder Hund ...«
Ihre Stimme klang wieder normal. Sie hatte offensichtlich beschlossen, Tim und seinen Antrag einfach nicht ernst zu nehmen.
Tim atmete auf und lachte ihr zu. »Das wäre doch auch sehr romantisch. Ich kann es mir gut vorstellen: Ein Liebespaar, das in seinem Leben als Zweibeiner nicht zueinanderfindet. Aber dann trifft es sich in einem Pferdestall wieder, wie Fellow und Banshee ...«
Elaine hatte ihre Fassung wiedergefunden und damit auch ihren Schalk. Sie schob ihr Haar aus dem Gesicht und schenkte Tim Lambert ein süßes, wenn auch kein ehrliches Lächeln. »Dann passen Sie auf, dass man Sie vorher nicht versehentlich zum Wallach macht«, sagte sie laut.
Timothy ließ das dröhnende Gelächter der Männer an sich abperlen, wie er auch alle Spöttereien über sein scheinbar hoffnungsloses Werben um Lainie Keefer ignorierte. Er lebte für diese Augenblicke, in denen hinter Lainies Fassade ihr wirkliches Selbst aufblitzte. Lebhaft, intelligent, spöttisch, aber auch sinnlich und liebevoll. Irgendwann würde ihr Schutzwall fallen. Und Tim würde da sein.
»Wer opfert sich denn jetzt mal und geht im Wild Rover spionieren?«, erkundigte sich Madame Clarisse, als er eben zurück an den Stammtisch kam, den bereits Ernie, Jay und Matt besetzten. Unter den anderen Gästen war heute von nichts anderem die Rede als von der geheimnisvollen neuen Pianistin im Pub um die Ecke. Ein Maori-Mädchen sollte es sein, mit einer Stimme wie ein Engel. Madame Clarisse, wie auch den wenigen ihrer Gäste, die ein bisschen weiter herumgekommen waren als die meisten Bergleute, erschien das seltsam. Maori-Mädchen lernten im Allgemeinen nicht Klavier zu spielen. Und sie waren auch selten allein außerhalb ihres Stammes unterwegs.
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