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Das Lied der Maori

Das Lied der Maori

Titel: Das Lied der Maori Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Sarah Lark
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Sogar in Bordellen traf man kaum je eine reinblütige Maori an, höchstens Mischlinge mit dann meist tragischem Schicksal. Madame Clarisse’ Neugier war jedenfalls geweckt. Die rührige Bordellbesitzerin setzte einen Krug Bier in der Mitte des Stammtisches ab, füllte den Männern die Gläser und grinste in die Runde. »Wobei ich natürlich nur moralisch gefestigte und treue Kunden des Lucky Horse anspreche. Alle anderen könnten bei näherem Kontakt mit Paddy Holloway Gefahr laufen, der Wettleidenschaft zu verfallen. Dann könnte ich dem Reverend nie mehr in die Augen sehen.« Madame Clarisse bekreuzigte sich theatralisch.
    »Dass die Jungs dann auch die Stammkneipe wechseln würden, hat damit natürlich nichts zu tun«, zog Matt sie auf. »Sie sind nur besorgt um unsere Seele, Madame Clarisse, nicht wahr? Vielen Dank, wir wissen das sehr zu schätzen.«
    »Aber was ist mit Unzucht, Madame Clarisse?«, erkundigte sich Jay. »Ist das nicht auch eine Sünde?« Der Schmied blickte sie treuherzig an und schaffte es sogar, sich dabei ängstlich zu bekreuzigen.
    Madame Clarisse konnte darüber nur missbilligend den Kopf schütteln. »Wo sehen Sie hier Unzucht, Mr. Jay?«, erkundigte sie sich im Brustton moralischer Entrüstung. »Ich sehe nur eine Gruppe heiratsfähiger junger Mädchen, die sich in zugegeben offenherziger Art einer Gruppe heiratsfähiger junger Männer annähert. Ich betreibe höchst erfolgreiche Eheanbahnung. Erst letzten Monat ist mir schon wieder ein Mädchen von der Fahne gegangen. Und was ist mit Ihnen und Charlene, Mr. Matt? Da knistert’s doch auch, geben Sie ’s zu. Ganz abgesehen von Mr. Lambert und Miss Keefer ...«
    Die Männer wieherten vor Lachen. Charlene, die sich eben neben Matt setzen wollte, lief rot an. Da schien sich tatsächlich etwas anzubahnen.
    Tim hob sein Bierglas und prostete Madame Clarisse zu. »Insofern«, sagte er grinsend, »sind Mr. Gawain und ich ja wohl gefestigt genug für einen Abend bei Paddy Holloway. Gleich morgen, in geheimer Mission!«
    Elaine hörte nur wenige Wortfetzen mit, aber sie hatte natürlich auch von der Maori-Sängerin im Wild Rover gehört. Wobei unweigerlich das Bild ihrer Cousine vor ihr aufstieg. Aber das konnte ja nicht sein. Kura lebte mit William auf Kiward Station. Und sie würde sich niemals so weit herablassen, in einer Bar für Bergleute zu singen.
     
    Kura hatte wenig Freude an ihrem Job im Wild Rover. Die Kundschaft war schwierig. Die Männer tranken immer mehr, je näher das Wochenende rückte, und wurden dementsprechend zudringlicher. Paddy Holloway hielt sie ihr auch nur halbherzig vom Leib; er wollte offensichtlich niemanden brüskieren und brachte durchaus Verständnis für die Kerle auf. Kura musste sich seiner selbst ebenfalls erwehren, wenn es ihr zur Sperrstunde nicht gelang, gleich mit dem letzten Schwung Gäste aus dem Pub zu schlüpfen. Der einzige Lichtblick war der fast tägliche Besuch Caleb Billers – auch wenn der junge Mann ihr nach wie vor Rätsel aufgab. Caleb erschien immer am frühen Abend, trank sich offenbar Mut an und gesellte sich dann zu ihr, um Musik zu machen. Wenn der Pub nicht überfüllt war und die Leute nicht protestierten, duldete Paddy, dass Kura dann die 
putorino
 spielte, während Caleb den Klavierpart übernahm, oder dass sie traditionelle Maori-Gesänge anstimmte, die er aufgriff und balladenartig verfremdete. Kuras Respekt vor Caleb als Musiker wuchs von Tag zu Tag. Er war zweifellos hochbegabt, ein guter Pianist und vor allem als Arrangeur und Komponist ein außergewöhnliches Talent. Kura arbeitete gern mit ihm – aber vielleicht gab es dazu ja noch andere Möglichkeiten als das verstimmte Klavier im schmierigen Wild Rover.
    Am Freitagnachmittag, Stunden bevor die Pubs öffneten, machte Kura sich auf den Weg zum Lucky Horse. Schon von draußen hörte sie Klavierklänge – allerdings nicht gerade das, was man in einem Pub erwartet hätte. Da übte jemand Kirchenlieder! Durchaus ambitioniert, denn der Pianist versuchte sich an Bachs Osteroratorium. Die Darbietung war mäßig; noch vor wenigen Monaten hätte Kura sie wahrscheinlich als »jämmerlich schlecht« verworfen. Inzwischen hatte sie allerdings gelernt, dass sie die Messlatte stets zu hoch gelegt hatte. Die meisten Menschen teilten ihr Streben nach künstlerischer Perfektion nicht. Das hatte Kura schon immer gewusst, aber inzwischen erfüllte es sie nicht mehr mit Stolz und Hochmut. Perfektion und absolutes Gehör, so hatte sie

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