Das Lied der Maori
bestätigte Kura.
»Obwohl Sie zweifellos auch hier schon interessante Männer kennen ...«, sagte die Cousine lächelnd und warf einen vielsagenden Blick auf Caleb.
»Ja.«
Caleb hatte bisher schweigend gelauscht und Kura fast so anbetend angesehen wie im Pub beim Absingen der
Habanera
. Ihr Talent zur Abtötung jeglicher Konversation beeindruckte ihn offensichtlich ebenso wie ihre musikalische Begabung.
Jetzt meinte er allerdings, eingreifen zu müssen.
»Miss Kura reist auf der Südinsel herum, um das Liedgut der verschiedenen Maori-Stämme zu sammeln und zu katalogisieren«, erklärte er. »Das ist sehr interessant, und ich fühle mich ausgesprochen geehrt, dass sie mich daran teilhaben lässt. Wollen wir noch ein bisschen an diesem
haka
arbeiten, Miss Kura? Vielleicht ein weiterer Flötenpart? Das durfte auch unsere Zuhörer erfreuen ...«
Er zwinkerte ihr zu, als er sie von den Damen loseiste. Kura wirkte gelassen wie immer.
»Das ist mir äußerst peinlich, Miss Kura. Meine Verwandten scheinen Ihnen zu unterstellen, Sie ... äh ... und ich ...« Caleb errötete.
Kura schenkte ihm ihr bezauberndstes Lächeln.
»Mr. Caleb, egal was Ihre Verwandten meinen, aber eine Heirat mit Ihnen ist so ziemlich das Letzte, was ich in diesem Leben plane.«
In Calebs erstaunten Blick mischten sich Erleichterung und leichte Kränkung.
»Finden Sie mich so abstoßend?«
Kura lachte hell auf. Merkte dieser Mann denn gar nichts? Ihre sanfte Annäherung bei der Gedenkfeier, ihr Flirten im Pub und die Tatsache, dass sie heute überhaupt gekommen war, sollten doch eigentlich jeden Mann von ihrem Interesse an ihm überzeugen. Kura hob die Hand und strich ihm langsam und lasziv von der Stirn über die Wange zum Mundwinkel, beschrieb dort einen kleinen Kreis und ließ den Finger dann zu seinem Hals wandern. William hatten solche Liebkosungen verrückt gemacht. Caleb schien nicht recht zu wissen, was er damit anfangen sollte.
»Ich finde dich überhaupt nicht abstoßend«, hauchte Kura. »Aber Heiraten kommt für mich nicht in Frage. Als Künstlerin ...«
Caleb nickte eifrig. »Selbstverständlich. Das habe ich mir auch schon gedacht. Also, Sie nehmen ... das hier ... nicht übel?«
Kura verdrehte die Augen. Sie hatte diesen Kerl berührt, gestreichelt, versucht, ihn zu erregen. Und er machte sich nur Gedanken um gesellschaftliche Konventionen!
Als er sie kurz darauf formvollendet hinausführte und sich höflich von ihr verabschiedete, versuchte sie es noch einmal. Sie schob sich näher an ihn heran, lächelte und hob ihm das Gesicht entgegen, die Lippen halb geöffnet.
Caleb errötete, machte aber keine Anstalten, sie zu küssen.
»Vielleicht können wir morgen Nachmittag im Pub mit der Arbeit an dem
haka
fortfahren?«
Kura nickte resigniert. Caleb war ein hoffnungsloser Fall. Aber zumindest das Musizieren mit ihm machte Spaß. Sie fand es faszinierend, zuzusehen, wie der Sprechgesang und die Musik der Maoris plötzlich lesbar und damit auch für andere Musiker verständlich und spielbar gemacht wurde. Noch interessanter mochte es sein, diese Musik mit europäischen Instrumenten zu verbinden und zu verfremden. Kura hatte sich bislang nie für Komposition interessiert, aber das hier reizte sie.
In den nächsten Wochen füllte die Beschäftigung mit den Liedern ihrer Ahnen die Tage aus, doch die Nächte blieben einsam, egal wie sehr sie Caleb ermutigte. Schließlich schöpfte sie Hoffnung, als er sie bat, Verbindung mit einem örtlichen Maori-Stamm aufzunehmen.
»Ich kann mir sehr gut vorstellen, wie so ein
haka
klingt. Sie bringen die verschiedensten Stimmen ja exzellent zusammen, Miss Kura. Aber einmal würde ich sie doch gern in natura hören und die Tänze sehen. Meinen Sie, die Stämme würden einen
haka
für uns aufführen?«
Kura nickte. »Ja, sicher. Es gehört zum Begrüßungsritual, wenn sich geehrte Besucher ansagen. Ich weiß bloß nicht, wo hier der nächste Stamm lebt. Vielleicht wären wir mehrere Tage unterwegs ...«
»Wenn Ihnen das nichts ausmacht«, meinte Caleb. »Ich bin sicher, mein Vater würde mir frei geben.«
Calebs Vater, das hatte Kura schon herausgefunden, war äußerst großmütig, was die Zeit seines Sohnes anging – jedenfalls, wenn er sie mit Kura verbrachte. Sie fragte sich oft, ob die Mine wirklich fast jeden Morgen oder Nachmittag auf eine Führungskraft verzichten konnte. Schließlich konnte die Arbeit an den
haka
nur stattfinden, wenn der Pub
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