Das Lied der Maori
Kindchen. Das ist nur ein Krankenpflegekurs, für den sich kein Freiwilliger als Patient gefunden hat. Dabei brauchte mein Gatte heute Morgen gar nicht sooo dringend zu den Kellys hinaus, der wollte sich nur drücken! Aber er hat eine ähnliche Einstellung zu männlichen Krankenschwestern wie Nellie Lambert.«
»Vielleicht könnte ja Miss Lainie ...?«, erkundigte Roly sich hoffnungsvoll und warf einen begehrlichen Blick auf Elaines schlanken Körper.
Berta sprang auf. »Das könnte dir so passen! Und hinterher erzählst du im Pub, Miss Lainie hätte sich von dir betatschen lassen! Jetzt verzieh dich erst mal. Wir machen nachher weiter. In einer Stunde oder so, vielleicht ist mein Mann dann ja zurück und bewahrt uns vor solchen Überraschungen wie eben.« Sie kicherte wieder, und Elaine fiel auf, dass sie Berta lange nicht so vergnügt gesehen hatte. »Nicht auszudenken, wenn Mrs. Carey oder Mrs. Tanner uns so antreffen ... Und Sie kommen jetzt und trinken einen Tee mit mir, Lainie. Ich will wissen, was Sie mit Tim gemacht haben.«
Roly zog ab, und Miss Berta schob Elaine erneut in ihre Wohnräume. Vorher schloss sie die Praxis ab.
»Wer was will, kann klingeln. Und jetzt erzählen Sie! Wie haben Sie das geschafft?«
Elaine schwirrte der Kopf. »Männliche Krankenschwestern?«, fragte sie. »Für ... für Tim?«
Berta nickte und strahlte dabei wie ein Kind unter dem Weihnachtsbaum.
»Tim war heute wie ausgewechselt. Sie haben ihn gleich morgens abgeholt. Sie wollten ihn auf einer Trage befördern, aber er bestand darauf, dass sie ihn in dieses Monstrum von Stuhl setzen. Er sagte, er hätte sich hier nicht fünf Monate herumgequält, um dann genauso rausgetragen zu werden, wie er reingetragen worden ist. Tja, und dann hat er erst mal die Krankenschwester gefeuert ...«
Lainie lächelte. »Die fabelhafte Miss Toeburton?«
Berta lachte. »Genau die. Sie sagte so was wie ›Und jetzt legen wir ein schönes, weiches Kissen unter Ihre Hüfte, Mr. Tim‹, woraufhin er antwortete, er habe ihr nicht erlaubt, ihn beim Vornamen zu nennen. Seine schreckliche Mutter sah ihn dann an wie einen trotzigen Dreijährigen und sagte wörtlich: ›Nun sei aber artig, Baby!‹ Daraufhin ist er explodiert! Und ich sage Ihnen, ein Erdbeben ist nichts dagegen! Er hat Nellies Gejammer jetzt fünf Monate an sich abprallen lassen, aber das war zu viel. Man hat sein Gebrüll bis auf die Straße gehört, und ich hab jedes Wort genossen! Er schickte zuerst Miss Toeburton zum Teufel. Sie fährt gleich mit dem Christchurcher Experten wieder ab. Aber erst wird dieser Wunderdoktor Tim noch Beinschienen anpassen. Auch wenn er meint, das wäre zu früh oder überhaupt sinnlos. Doch mein Mann hat sich auf Tims Seite geschlagen. Wenn Dr. Porter ihm nicht die Schienen anlegt, hat er gesagt, würde er es selbst tun. Und Dr. Porter riskiert natürlich nicht, dass ein Dorfarzt wie Chris die Lorbeeren einheimst! Außerdem verlangte Tim einen männlichen Pfleger. Wenn es den nicht gäbe, müsste man eben jemanden ausbilden. Und genau das habe ich vorhin mit Roly getan. Und jetzt erzählen Sie, wie Sie das gemacht haben, Lainie! Ich brenne vor Neugier.«
Doch Elaine war immer noch mit dem männlichen Pfleger beschäftigt. »Wie sind Sie auf Roly gekommen?«
Berta verdrehte ungeduldig die Augen. »Mrs. O’Brien war gerade in der Praxis, als die Bombe platzte. Und wie gesagt, Tims Geschrei konnte man sich nicht entziehen, da mag man es noch so indiskret finden, zu lauschen. Jedenfalls kam Emma hinterher ganz schüchtern zu mir und fragte, ob wir es nicht mit ihrem Roly versuchen könnten. Der Junge will seit dem Unfall partout nicht mehr in eine Mine einfahren. Verstehen kann man’s, aber das stellt die Familie natürlich vor ziemliche finanzielle Probleme. Der Vater tot, der älteste Sohn ohne richtigen Job ... Roly schlägt sich seitdem als Laufbursche durch, aber da verdient er ja fast nichts. Ihm würde es auch nichts ausmachen, wenn sie ihm den ›Krankenbruder‹ vorhalten. Nicht bei Timothy Lambert. Sie wissen ja, er vergöttert Tim ...«
Roly gehörte zu Tims treuesten Besuchern. Der Junge war fest davon überzeugt, ihm sein Leben zu verdanken. Er hätte alles für Tim getan.
»Jetzt sagen Sie schon, Lainie! Was war gestern zwischen Ihnen und Tim? Sie sind ziemlich lange geblieben, nicht wahr? Ich musste dann ja mit Christopher weg ...«
Dr. Leroy war zu einer schweren Geburt gerufen worden, und da fuhr Berta immer mit.
»Ich bin
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