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Das Lied der Maori

Das Lied der Maori

Titel: Das Lied der Maori Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Sarah Lark
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William hatte zugesagt, und Kura-maro-tini zeigte erstaunliche Lebensregungen, als sie Gwyn und ihrer Enkelin davon erzählte.
    »Ich sollte das rote Kleid tragen!«, erklärte das Mädchen. »Und auch sonst muss ich mich ein bisschen zurechtmachen. Kannst du mir nicht ein Mädchen zur Hilfe heraufschicken, Tante Fleur? Es ist schwierig, sich selbst zu schnüren.«
    Kura war Hauspersonal gewöhnt. Zwar versuchte Gwyn stets, mit einem Minimum an Haus- und Küchenmädchen auszukommen, aber das Herrenhaus von Kiward Station war zu weitläufig, um es allein in Ordnung zu halten, und Gwyns hausfrauliche Fähigkeiten waren nicht sonderlich ausgeprägt. So arbeiteten etliche Maori-Mädchen unter der Ägide ihres »Butlers« Maui und ihrer ersten Hausmädchen Moana und Ani. Als Kura klein war, hatten diese Mädchen auch das Kind umsorgt, und Ani, ein geschicktes, kleines Ding, war später zu einer Art »Zofe« gediehen, die Kuras Kleider in Ordnung hielt und sie frisierte.
    Fleur blickte ihre Nichte an, als wäre diese nicht recht bei Trost.
    »Du kannst dich doch wohl allein anziehen, Kura! Dies ist kein großes Haus, wir haben nur eine Haushaltshilfe und einen Gärtner, der obendrein die Ställe versorgt. Ich glaube nicht, dass einer von denen dich schnüren möchte.«
    Kura würdigte dies keiner Antwort, sondern ging mit einem Flunsch nach oben. Fleurette schüttelte den Kopf und wandte sich an Gwyneira.
    »Was hat die Kleine bloß für Ideen? Also, dass sie sich für etwas Besseres hält als uns niederes Volk, das habe ich ja inzwischen begriffen. Aber du erlaubst ihr nicht wirklich eine eigene Zofe!«
    Gwyn zuckte resignierend die Achseln. »Sie hält nun mal viel auf ihr Äußeres. Und Miss Witherspoon unterstützt sie da noch ...«
    Fleurette verdrehte die Augen. »Diese Miss Witherspoon würde ich als Erstes feuern!«
    Gwyn wappnete sich für einen Disput mit ihrer Tochter, wie sie ihn seit Jahren immer wieder mit James führte – und erwärmte sich dabei mehr und mehr für Helens Vorschlag. Ein Aufenthalt in England konnte Kura wirklich nur guttun! Falls sie jetzt noch zu jung für das Konservatorium war, fand sich vielleicht eine Mädchenschule. Gwyn dachte an Uniformen und einen prall gefüllten Stundenplan ... Aber würde Kura sie dann nicht ihr Leben lang hassen?
     
    William kam pünktlich, und sein zweiter Blick auf Kura ließ ihn genauso ehrfürchtig erstarren wie am Tag zuvor der erste. Zumal das Mädchen diesmal kein schlichtes Reisekostüm trug, sondern ein raffiniert geschnittenes rotes Kleid, bedruckt mit bunten Blütenranken. Die satten Farben standen ihr; sie brachten ihre Haut noch mehr zum Leuchten und boten einen reizvollen Kontrast zu ihrem üppigen schwarzen Haar. Das trug sie an diesem Tag in der Mitte gescheitelt; rechts und links des Gesichts hatte Kura eine Strähne geflochten und die Zöpfe am Hinterkopf zusammengebunden. Es betonte ihre klassisch schönen Züge, ihre hohen Wangenknochen, die aufregenden Augen und ihren exotischen Touch. William Martyn hätte nicht gezögert, vor so viel Schönheit niederzuknien.
    Die Höflichkeit gebot allerdings, sich erst um Elaine zu kümmern, die ihm als Tischdame zugeteilt war. Fleurette hatte, da sie nun schon aufwändig kochte, auch Helen und deren langjährigen Freund hinzugebeten, den Police Constabler McDunn. Der untersetzte, schnauzbärtige Mann führte Helen mit großer Aufmerksamkeit zum Tisch, und William beeilte sich, es ihm mit Lainie nachzutun. Als Kuras Tischherr sollte George fungieren, der inzwischen allerdings jedes Interesse an seiner schönen Cousine verloren hatte. Eher desinteressiert rückte er ihr den Stuhl zurecht. William stellte entzückt fest, dass er sie dabei genau ihm gegenüber platzierte.
    »Haben Sie sich schon eingewöhnt in Queenstown, Miss Warden?«, fragte er, als die Höflichkeit es endlich gestattete, auch allgemeine Tischgespräche zu führen.
    Kura lächelte. »Bitte sagen Sie ›Kura‹, Mr. William ...« Ihre Stimme machte jeden einfachen Satz zur Melodie eines ganz besonderen Liedes. Selbst Leonard McDunn blickte von seiner Vorspeise auf, als das Mädchen antwortete. »Und um Ihre Frage zu beantworten ... ich bin die Weite der Plains gewöhnt. Die Landschaft hier ist lieblich, aber ihre Schwingungen sind gänzlich anders.«
    Gwyn runzelte die Stirn. Schwingungen? Elaine und Georgie unterdrückten ein Kichern.
    William strahlte. »Oh, ich verstehe, was Sie meinen. Jede Landschaft hat ihre Melodie. Manchmal, im

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