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Das Lied der Maori

Das Lied der Maori

Titel: Das Lied der Maori Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Sarah Lark
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vom Eingang wie zufällig an der Hauswand lehnte, ihn in der Umarmung mit einer anderen ertappt. Man konnte Kura von keinem Fenster aus sehen. Sie hatte den Pelz übergeworfen, aber nicht geschlossen; man sah das Mantelkleid, das sie darunter trug. Die obersten drei Knöpfe waren bereits geöffnet. Kura trug ihr Haar offen; es floss über das helle Fuchsfell, der Mond ließ es silbern leuchten.
    »Ich brauchte frische Luft, da drin ist es heiß«, sagte sie nun und spielte mit dem vierten Knopf ihres Kleides.
    William trat näher an sie heran. »Sie sind wunderschön«, sagte er ehrfürchtig und hätte sich dafür ohrfeigen können. Warum fiel ihm kein geistreicheres Kompliment ein? Sonst fiel es ihm doch nicht schwer, Worte zu finden.
    Kura lächelte. »Danke«, sagte sie leise und dehnte das Wort zu einer Melodie, die den Himmel versprach.
    William wusste nichts zu erwidern. Langsam, ehrfürchtig, beinahe furchtsam berührte er ihr Haar. Es war glatt wie Seide.
    Kura zitterte. Sie schien zu frösteln. Aber hatte sie nicht eben noch gesagt, ihr sei heiß?
    »Seltsam, dass jetzt woanders Sommer ist«, sang ihre Stimme. »Sie feiern auch in Irland diese Feste ...«
    »Eher am ersten Mai als Ende Juni«, antwortete William, der plötzlich heiser zu sein schien. »Früher nannte man es Beltane. Ein Frühlingsfest ...«
    »Ein Fruchtbarkeitsfest«, sagte Kura, ihre Stimme war ein einziges Locken. 
»Wenn der Sommer kommt und die Bäume lieblich blühen ...«
    Als Kura sang, schien die vereiste Straße von Queenstown zu versinken, und William befand sich wieder in Irland, küsste Bridget, die Tochter seines Pächters, spürte ihre Wärme und ihre Lust.
    Und dann hielt er Kura in den Armen. Es war einfach passiert. Er hatte es nicht wirklich gewollt ... Sie war so jung, und da war Elaine, trotz allem, und seine Stellung hier in Queenstown ... aber vor allem war da Kura. Ihr Duft, ihr weicher Körper ... Kura war der Anfang und das Ende. Er hätte sich in ihrem Kuss verlieren können. Kura war die Erde und das Mondlicht, sie war der silbern funkelnde See und das ewige Meer. William küsste sie anfangs langsam und behutsam, doch sie zog ihn fester an sich und erwiderte die Liebkosungen wild und scheinbar erfahren. Da war nichts Tastendes, Ängstliches wie bei Elaine: Kura war nicht zart und zerbrechlich, nicht scheu wie das Mädchen in den Sally Gardens, sondern offen und lockend wie die Blüten, die man zu Beltane auf den Altar der Göttin häufte. William schob ihr Kleid ein Stückchen herunter und streichelte über die glatte, weiche Haut ihrer Schultern, und Kura rieb sich an ihm, zerzauste sein Haar, platzierte kleine Küsse, dann winzige Bisse an seinem Hals. Beide hatten die Deckung des Hauses längst vergessen; es war, als tanzten sie miteinander auf der Terrasse des Hotels.
     
    Elaine hatte die Main Street gerade hinter sich gelassen und Banshee den Weg am Fluss entlanggelenkt, als ihr siedend heiß etwas einfiel. Die Blüten! Sie hatte Ingers mühsam zusammengesuchte sieben Blüten neben Helens Kamin liegen lassen. Ob es wohl noch wirkte, wenn sie in der kommenden Nacht darauf schlief? Wahrscheinlich nicht; die Johannisnacht war heute. Und Inger würde sie vielleicht danach fragen. Elaine wünschte es sich jedenfalls. Inger mochte ein leichtes Mädchen sein, aber sie war fast eine Art Freundin, und Elaine wollte so gern über ihre Träume mit ihr tuscheln und kichern. Und wenn sie wissen wollte, wie ihr künftiger Gatte aussah, musste sie jetzt zurückreiten. Wenn sie trabte, würde sie höchstens fünf Minuten verlieren.
    Banshee wendete unwillig. Elaine hatte möglichst rasch nach Hause gewollt und war entsprechend schwungvoll angetrabt. Jetzt noch mal zurück auf die Main Street? Der Stute passte das gar nicht, aber sie war ein gehorsames Pferd und ließ sich antreiben.
    »Komm, Banshee, wenn ich reingehe, klaue ich dir auch ein Stück Teegebäck«, raunte Elaine ihr zu.
    William und Kura hätten die Hufschläge eigentlich hören müssen, doch die beiden waren in dieser Nacht nur Teil ihrer eigenen Melodie, hörten nichts als den Atem und den Herzschlag des anderen, spürten den Puls der Erde.
    Elaine hätte das Paar vielleicht gar nicht bemerkt, wäre es im Schatten des Hauses geblieben. Sie erwartete die Pension abgeschlossen und wollte durch die Ställe hinein. Doch Kura und William standen im Mondlicht, angestrahlt wie auf einer Bühne. Banshee scheute, als sie die beiden sah, und rammte die Hufe in den

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