Bücher online kostenlos Kostenlos Online Lesen
Das Lied der Maori

Das Lied der Maori

Titel: Das Lied der Maori Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Sarah Lark
Vom Netzwerk:
Sie müssen es sein! Sie sind William Martyn, nicht wahr? Kuras Beschreibung nach ...«
    Kura hatte William bis in die letzte Einzelheit beschrieben. Sein blondes Haar, das Grübchenlächeln, die strahlend blauen Augen – Miss Heather strahlte ihn an. »Wie romantisch! Kura wusste, dass Sie kommen. Sie wusste es einfach! Sie war schrecklich deprimiert, nachdem Miss Gwyn so plötzlich aus Queenstown abberufen wurde ...«
    Abberufen? William wunderte sich. Aber wahrscheinlich hatte man der Gouvernante einfach nicht alles erzählt. Auch Kura schien sich ihr nur begrenzt anzuvertrauen. William beschloss, vorsichtig zu sein. Andererseits war dieses farblose Geschöpf seine einzige Hoffnung. Er ließ seinen Charme wieder spielen.
    »Ich habe keinen Tag gezögert, Miss Heather. Nachdem Kura abgereist war, habe ich gekündigt, mir ein Pferd gekauft, und hier bin ich. Ich habe eine Stellung in Haldon ... noch keine leitende, das muss ich zugeben, aber ich werde mich hocharbeiten! Eines Tages möchte ich offen um Kura werben können.«
    Miss Heathers Gesicht glühte. Genau das hatte sie hören wollen. Offensichtlich hatte sie ein Faible für romantische Geschichten.
    »Bisher ist das leider noch nicht so einfach.« William ließ offen, warum, aber da fielen der jungen Frau gleich ein paar Gründe ein.
    »Kura ist natürlich noch sehr jung«, bemerkte sie. »Da muss man Mrs. McKenzie schon verstehen, obwohl das Mädchen selbst es nicht einsieht. Kura war sehr erbost, als man sie so plötzlich ... äh ... von Ihrer Seite wegriss ...« Miss Heather errötete.
    William senkte den Kopf. »Auch mir hat es das Herz zerrissen«, bekannte er. Hoffentlich war das nicht zu dick aufgetragen, doch Miss Heather blickte verständnisvoll. »Wobei Sie mich nicht missverstehen dürfen. Ich bin mir der Verantwortung wohl bewusst. Kura ist wie eine Blume, die in voller Schönheit steht, obwohl sie noch nicht gänzlich erblüht ist. Es wäre unverantwortlich, sie jetzt schon zu ...« Wenn er jetzt »pflücken«, sagte, würde diese junge Dame vermutlich vor Scham zerfließen. William ließ den Satz lieber unvollendet. »Ich bin jedenfalls bereit, auf Kura zu warten. So lange, bis sie erwachsen ist ... oder Miss Gwyn sie als solches anerkennt.«
    »Kura ist sehr reif für ihr Alter!«, ergänzte Miss Heather. »Es ist sicher ein Fehler, sie wie ein Kind zu behandeln.«
    Tatsächlich schmollte Kura seit der Rückkehr aus Queenstown, und erst heute Morgen hatte es wieder einen sehr unerfreulichen Auftritt zwischen ihr und James McKenzie gegeben. Bei der fünften Wiederholung des Bach-Oratoriums, an dem Kura gerade übte, während der Rest der Familie frühstückte, war James der Kragen geplatzt.
    Kura brauche nicht mit ihnen zu essen, erklärte er, aber dann solle sie ihnen auch ihre Launen ersparen. Diese depressive Musik würde er sich jedenfalls keinen Moment länger anhören. Dabei verginge ja einer Kuh der Appetit! Jack hatte kichernd die Partei seines Vaters ergriffen, während Miss Gwyn wie fast immer geschwiegen hatte. Schließlich floh Kura beleidigt in ihre Räume, und Heather musste sie trösten. Woraufhin sie die Nächste war, über die ein Donnerwetter niederging. Sie solle Kura nicht in ihren Dummheiten bestärken, beschied sie Miss Gwyn, sondern lieber ihren Pflichten nachgehen und die Andacht bei den Maoris halten.
    William wusste von alledem natürlich nichts, doch er spürte Heathers Ressentiments gegen Miss Gwyn und McKenzie. Er musste es wagen.
    »Miss Heather ... ob wohl die Möglichkeit besteht, Kura einmal zu sehen? Ohne ihre Großeltern zu involvieren? Ich will nichts Unehrenhaftes, auf gar keinen Fall ... schon ein Blick auf sie, ein Gruß von ihr würden mich glücklich machen. Und ich hoffe so sehr, dass auch sie sich nach mir sehnt ...« William betrachtete sein Gegenüber aufmerksam. Hatte er den richtigen Nerv getroffen?
    »Nach Ihnen sehnt?«, fragte Miss Heather aufgewühlt und mit schwankender Stimme. »Mr. William, sie verzehrt sich nach Ihnen! Das Kind leidet ... Und Sie sollten Ihren Gesang hören! Ihre Stimme ist noch ausdrucksvoller geworden, so tief empfindet sie ...«
    William freute sich, das zu hören, auch wenn er Kura als nicht gar so sentimental in Erinnerung hatte. In Tränen aufgelöst konnte er sie sich zum Beispiel gar nicht vorstellen. Aber wenn diese Miss Heather sich in der Rolle einer Lebensretterin gefiel, die einen Selbstmord aus Liebeskummer gerade noch verhindern konnte ...
    »Miss Heather«,

Weitere Kostenlose Bücher