Das Lied der Maori
Kirchenbänke saß und ihm gelegentlich einen beifallheischenden Blick zuwarf. Weil sie dieses Treffen arrangiert hatte? Dann würde sie womöglich noch mehr tun, um die Liebenden zusammenzubringen. Oder war sie einfach nur stolz auf ihre hochbegabte Schülerin?
Schließlich war es dann Dorothy Candler, die William und Kura ganz zwanglos zusammenführte. Wie fast alle Bürger von Haldon brannte sie darauf, das Wunderkind von nahem zu sehen, und William bot ihr den idealen Vorwand.
»Kommen Sie, Mr. William, wir sagen guten Tag! Sie müssen das Mädchen doch kennen, oder? Schließlich war sie gerade in Queenstown bei ihren Verwandten. Sicher wurden Sie ihr vorgestellt ...«
William murmelte etwas von »flüchtiger Bekanntschaft«, aber Dorothy hatte ihn schon beim Arm genommen und steuerte Kura und Miss Heather nun couragiert an.
»Sie haben außerordentlich schön gespielt, Miss Warden! Ich bin die Leiterin des Frauenkreises, und ich kann Ihnen in unser aller Namen versichern, es war wunderschön! Dieser Gentleman ist übrigens Mr. William, ich glaube, Sie kennen sich ...«
Kura hatte bislang mit ihrem gewohnt gelangweilten Blick in die Menge geschaut – oder eher durch die Menge hindurchgesehen. Jetzt aber kam Leben in ihre strahlend blauen Augen, doch der Ausdruck von Interesse war wohl bemessen: Kura wusste genau, dass sie hier unter Beobachtung standen, und beherrschte sich. William musste an Elaine denken. Die wäre jetzt garantiert rot angelaufen und hätte die Sprache verloren. Doch Kura erwies sich der Situation als gewachsen.
»Tatsächlich, Mr. William. Ich bin erfreut, Sie zu sehen.«
»Kommen Sie doch mit in den Gemeindesaal!«, lud Dorothy sie ein. »Wir trinken dort jeden Sonntag nach der Messe einen Tee. Und heute, wo es so besonders festlich war ...«
Miss Heather blickte ein bisschen gequält, doch Kura bejahte höflich.
»Ich hätte gern einen Tee«, sagte sie und schenkte der Krämersfrau ein Lächeln. Nur William wusste, wem es wirklich galt.
Im Gemeindesaal versorgte er das Mädchen dann mit Tee und Kuchen, aber sie nippte nur an dem Getränk und zerbröselte den Teekuchen zwischen den Fingern. Während sie höflich und einsilbig auf die Fragen des Reverends und des Frauenvereins antwortete, beschenkte sie William immer wieder mit winzigen, kaum einen Herzschlag langen Blicken, bis er meinte, es kaum noch auszuhalten. Aber dann schob sie sich beim Abschied vom Frauenkreis kurz neben ihn und raunte ihm ein paar Worte zu.
»Du kennst den Weg zwischen Kiward Station und dem Maori-Lager. Triff mich dort bei Sonnenuntergang. Ich werde sagen, ich besuche meine Leute.«
Gleich darauf entschuldigte Kura sich bei ihren begeisterten Anhängern in Haldon. Der Reverend fragte sie, ob sie nun öfter in der Gemeinde die Orgel spielen würde, doch Kura antwortete lediglich mit freundlichen Ausflüchten.
William verließ den Saal vor ihr. Er fürchtete, sich durch einen Blick oder eine Geste zu verraten, wenn er sich förmlich verabschiedete. Dabei wusste er nicht, wie er den restlichen Tag herumbringen sollte.
Bei Sonnenuntergang auf dem Waldpfad. Allein ...
Letzteres erwies sich als Fehlschluss: Kura kam nicht allein, sondern mit Heather Witherspoon im Schlepptau. Sie selbst schien von dieser Regelung auch nicht begeistert zu sein, sondern behandelte ihre Gouvernante wie einen lästigen Lakai. Die ließ sich allerdings nicht abwimmeln, Schicklichkeit ging ihr über alles.
Dennoch verging William fast vor Seligkeit, als Kura endlich wieder vor ihm stand. Behutsam nahm er ihre Hand und küsste sie – und allein die Berührung ließ ihn durch tausend Feuer gehen, die belebten, statt zu verbrennen. Kura lächelte ihm jetzt offen zu. Er versank in ihren Augen und konnte sich vom Anblick ihrer sahnig braunen Haut gar nicht losreißen. Schließlich streichelte er ihre Wange mit zitternden Fingern, und Kura schmiegte sich an ihn wie ein Kätzchen – oder eher wie ein gezähmter Tiger –, rieb ihr Gesicht sanft an seiner Handfläche und biss dabei leicht in seinen Handballen. William konnte seine Erregung kaum verbergen, und Kura schien es ähnlich zu gehen. Miss Heather allerdings gab ein Räuspern von sich, als das Mädchen ihm die Lippen zum Kuss entgegenhob. So viel Intimität ging ihr offenbar zu weit.
Immerhin duldete sie einen Spaziergang Hand in Hand, und Kuras Finger spielten dabei mit Williams Handfläche, tasteten sich zum Gelenk vor und liebkosten es mit winzigen Kreisen. Schon das
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