Das Lied der Maori
wegen solcher Kindereien wie die, mit denen Sie hier gerade Streit anfangen wollen. Also halten Sie sich bitte zurück!«
William hatte klein beigegeben. Was blieb ihm anderes übrig? Doch die Auseinandersetzungen dieser Art häuften sich, zum Teil auch mit James McKenzie. Der war zurzeit zum Glück abwesend – er besuchte die Hochzeit seiner Enkelin Elaine in Queenstown. Auch so eine Angelegenheit! William wünschte dem Mädchen viel Glück, zumal ihr Zukünftiger eine gute Partie zu sein schien. Insofern hätte er nichts dagegen gehabt, mit Kura zur Hochzeit zu fahren und zu gratulieren. Er verstand gar nicht, warum Gwyn das so vehement ablehnte. Auch dass sie selbst auf die Teilnahme an der Hochzeit verzichtete, ging William nicht in den Kopf. Er hätte Kiward Station ohne weiteres allein leiten können. Vielleicht wäre es ihm dann ja sogar gelungen, die Arbeiter ein bisschen auf Trab zu bringen. Denn auch der Umgang mit dem Personal fiel ihm nach wie vor schwer. Die Leute waren so anders als in Irland, wo er stets ein gutes Verhältnis zu den Pächtern gehabt hatte. Doch in Irland fürchteten die Pächter ihre Landlords und quittierten jedes Lockern der Zügel mit Dankbarkeit und Zuneigung. Hier dagegen ... Wenn William einen der Viehhüter hart anfasste, hielt der es mitunter nicht mal für nötig zu kündigen. Er packte einfach seine Sachen, ritt zum Haupthaus, um sich den restlichen Lohn abzuholen, und suchte sich einen Job auf der nächsten Farm. Die alten Viehtreiber wie McAran und Livingston waren noch schlimmer; die ließen seine Ausbrüche einfach an sich abprallen. William gab sich manchmal Tagträumen hin, wie er sie feuerte, sobald Kura volljährig wurde und ihm die Leitung der Farm übertrug. Aber nicht einmal das schreckte die Leute. McAran und Livingston beispielsweise hatten langjährige Frauenbekanntschaften in Haldon. Die Witwe, mit der McAran zusammen war, besaß sogar eine kleine Farm. Da konnten die Kerle ohne weiteres unterkriechen. Und die Maoris waren sowieso ein Fall für sich. Auch sie verschwanden, sobald William laut wurde, und ließen ihn einfach mit der Arbeit sitzen. Am nächsten Tag waren sie dann wieder da – oder auch nicht. Sie taten, was sie wollten, und Gwyneira ließ es ihnen durchgehen ...
»Feuer!«
William war eben noch gedankenverloren dahingetrabt, den Kopf mit dem breitkrempigen Hut vor dem Regen gesenkt. Der prasselte inzwischen so laut und heftig auf Kiward Station nieder, dass er alle anderen Geräusche übertönte. Aber jetzt vernahm William rasche Hufschläge und eine helle Stimme hinter sich. Ein Maori-Junge jagte auf einem ungesattelten, nur mit einem Strick um den Hals gezäumten Pferd auf ihn zu.
»Schnell, schnell, Mr. William! Im Rinderstall hat der Blitz eingeschlagen, und die Ochsen haben die Zäune umgerannt! Ich hol Hilfe, reiten Sie schnell hin! Es brennt!«
Der Knabe hatte das Pferd kaum gezügelt, um die Nachricht loszuwerden, und wartete Williams Entgegnung auch gar nicht ab, sondern galoppierte gleich weiter zum Haus. William wendete sein Pferd und setzte es ebenfalls in Galopp. Die Rinderställe lagen zum See hinaus und beherbergten mehrere Herden Ochsen und Mutterkühe. Wenn die wirklich frei herumliefen ... Gut möglich, dass die Maoris und ihre geheiligten Wiesen dann heute noch Besuch bekamen!
Tatsächlich war der Brandgeruch schon sehr bald wahrzunehmen. Der Blitzeinschlag musste heftig gewesen sein. Trotz des Regens schlugen die Flammen bereits aus dem Futterlager, und rund um die Ställe herrschte hektische Aktivität. Viehhüter rannten umher und versuchten, im Qualm die letzten Rinder loszubinden, die jämmerlich schrien. Gwyneira Warden war bei ihnen. Sie stürzte gerade hustend aus dem Stall, tauchte ein Tuch in einen Eimer Wasser, hielt es sich vors Gesicht und rannte wieder hinein. Noch bestand offensichtlich keine Einsturzgefahr, aber die Tiere im Stall konnten ersticken. Die Maoris – in diesem Fall hatte sich das ganze Dorf blitzschnell eingefunden – organisierten inzwischen eine Kette mit Eimern vom Brunnen zum Stall; die Frauen und Kinder bildeten eine weitere Kette zum See. Das Schlimmste aber waren die befreiten Rinder, die orientierungslos und brüllend im Regen umherrannten, den Boden in ein Schlammfeld verwandelten und die Zäune ihrer Paddocks niederwalzten. Jack McKenzie und ein paar andere Jungen stellten sich ihnen todesmutig entgegen, konnten die in Panik geratenen Tiere aber kaum aufhalten. Dabei waren die
Weitere Kostenlose Bücher