Das Lied der Maori
Aber sie ist schüchtern, sie spricht nicht viel Englisch. Sie kam erst vor zwei Wochen her.«
Also genau wie Elaine es sich gedacht hatte. Das erfahrene Personal behielt Zoé für sich, während sie sich mit den Neulingen herumschlagen musste. Nun, sie würde zumindest versuchen, die Mädchen längere Zeit zu halten.
»Das macht nichts, Pai, ich spreche ein bisschen Maori«, sagte sie freundlich. »Und du sprichst sehr gut Englisch, wir werden also schon miteinander auskommen. Hol Rahera gleich her ... oder nein, zeig mir erst die Wohnung. Ich muss eine ungefähre Vorstellung haben, wo was hingehört.«
Pai führte Elaine also herum, und die junge Frau fühlte sich gleich besser, als Pai ihr den Weg in ihre Zimmer wies. Wie es aussah, waren ein Schlaf- und ein Ankleidezimmer allein für Elaine reserviert. Sie würde also nicht jede Nacht das Bett mit ihrem Gatten teilen müssen, oder zumindest nicht neben ihm schlafen. Darüber hinaus gab es einen Salon und ein Herrenzimmer, die ineinander übergingen. Beides nicht groß; mit ziemlicher Sicherheit ging es auf Lionel Station ähnlich zu wie auf Kiward Station: Die wichtigsten Gemeinschaftsräume wurden von allen Hausbewohnern genutzt, und auch die Mahlzeiten wurden zusammen eingenommen. Der Westflügel jedenfalls enthielt keine Küche, dafür gleich zwei großzügig eingerichtete, hochmoderne Badezimmer.
Elaine hatte eine rasche Auffassungsgabe und ein gutes räumliches Vorstellungsvermögen. Der Grundriss der Wohnung ging ihr also leicht ein, und als die Männer – der Fahrer ihres Vaters und ein Maori-Arbeiter – die Möbel und Truhen hereintrugen, konnte sie ziemlich genau angeben, was wohin passte. Pai zeigte sich ebenfalls anstellig. Sie mochte keine große Erfahrung haben, aber dass ihr als Zofe die Pflege der Kleidung ihrer Herrin oblag – und dass man die folglich am besten im Ankleidezimmer unterbrachte –, war ihr geläufig. Pai stapelte also eifrig Wäsche in die Schubladen in Elaines Schlafzimmer und leerte Kleidertruhen in die Schränke, während Rahera Geschirr und Kristall mit so viel Vorsicht in die Vitrinen räumte, dass es fast an Ehrfurcht grenzte. Der Maori-Helfer stellte sich als Raheras Bruder Pita vor. Eigentlich, so bedeutete er Elaine, arbeite er als Viehtreiber; er hatte sich hier nur als Träger angeboten, um Rahera nahe zu sein.
Wohl eher Pai, dachte Elaine, die das verräterische Funkeln in den Augen des Jungen und des Mädchens nicht übersehen hatte. Aber umso besser. Wenn Pai hier einen Freund fand, lief sie nicht gleich wieder fort.
»Das sein schöne Hund!«, sagte Pita mit Blick auf Callie, die mit Rubens Fahrer ins Haus gekommen war. Sie hatte auch die letzten Nächte mit ihm auf dem Planwagen verbracht. Jetzt musste Elaine eine neue Lösung für sie finden. Auch das war keine leichte, dafür umso dringlichere Aufgabe.
»Gut für Schafe! Gekauft Mr. Thomas?« Auch Pitas Englisch war nicht das Beste. Elaine musste unbedingt herausfinden, woher diese Leute kamen, zu welchen Stämmen sie gehörten und woher die gewaltigen Bildungsunterschiede kamen.
»Nein«, sagte sie jetzt mit bitterem Lächeln. »Die hat er dazugekriegt. Callista heißt sie. Sie ist mein Hund.« Sie zeigte auf sich selbst, als Pita nicht gleich zu verstehen schien. »Hört nur auf mich!«
Pita nickte. »Sehr schöne Hund. Du uns leihen für Schafe!«
»Sie!«, kam eine schneidende Stimme von der Tür. Zoé Sideblossom rauschte ins Zimmer. Die junge Frau hatte sich nach der Reise bereits umgekleidet und offenbar schon ein Bad genommen; auf jeden Fall wirkte sie viel frischer und ordentlicher, als Elaine sich fühlte. Und sie brachte auch schon genug Energie auf, um die Dienstboten zu maßregeln. »›Wenn es Ihnen und Mr. Thomas genehm ist, werden wir uns den Hund für die Arbeit mit den Schafen leihen.‹ Sprich das nach, Pita! In meinem Haus will ich dieses Eingeborenen-Gestammel nicht hören. Und vor allem gewöhn dich an die korrekte Anrede: ›Sie‹ und ›Madame‹.« Zoé Sideblossom wartete, bis der erschrockene Pita ihre komplizierte Formulierung wiederholt hatte – garantiert ohne sie völlig zu verstehen. Erst dann wandte sie sich an Elaine. »Ist alles zu deiner Zufriedenheit? Thomas meinte, die ... Einrichtung hätte dir besonders gefallen.« Die junge Frau lächelte sardonisch.
Callie knurrte Zoé an. Elaine wünschte sich plötzlich, ihr sanfter Collie würde sich in einen bissigen Rottweiler verwandeln.
»Meine Möbel werden für
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