Das Lied der roten Steine: Australien-Saga (German Edition)
verlassen.
Sie kippte sich Shampoo über ihre schwarzen Haare und massierte es ein. Das Wasser half ihr, ihren Kater zu überwinden. Kein Alkohol mehr, versprach sie sich, doch sie vergaß, dass sie sich dieses Versprechen schon mehrmals gegeben hatte und nicht in der Lage gewesen war, es zu halten.
Das heiße Wetter in Norfolk hielt an. Doch das konnte Jessica am Tag nach der Party nicht davon abhalten, in Shorts, Top und einem alten Paar Turnschuhe ihren Angriff auf das Unkraut im Vorgarten fortzusetzen. Allerdings begann sie erst spät am Nachmittag damit, als es schattig genug war, dass ihre helle Haut keinen Schaden nahm.
Fast den ganzen Tag hatte die Wut auf Simon in ihr gebrodelt. Als er sie nach Hause gefahren hatte, hatten sie sich gestritten. Nun, sie musste zugeben, dass der Streit zum größten Teil von ihr ausgegangen war. Sie hatte ihn beschuldigt, ihr Vertrauen missbraucht zu haben, als er der Oberschwester von ihrer Krankheit erzählte. Er hatte gemeint, er hätte es nur getan, weil er erwartet hatte, dass Levinski darüber Stillschweigen bewahren würde. Er hatte sich entschuldigt. Sie hatte ihm nicht verziehen. Als sie sich auszogen und ins Bett gingen, hatte sie ihm den Rücken zugewandt und war irgendwann in einen betäubenden Schlaf gesunken. Als sie aufgewacht war, war er schon wieder im Krankenhaus. Das war nicht ungewöhnlich. Seit vielen Monaten, selbst schon vor Damians Tod, war eine wachsende Entfremdung zwischen ihnen zu spüren gewesen, doch sie wollte nicht daran denken. Ihre Ehe war stark, und sie hatten nur gerade eine schlechte Zeit, die es in vielen Ehen gab. Das hatte sie ihre Arbeit gelehrt. Man sollte die kleinen Dinge nicht überbewerten. Meine Güte, hast du nicht auch so genug Sorgen, ohne dass du versuchst, noch mehr Probleme an den Haaren herbeizuziehen?
Wütend stieß Jessica den Handspaten in einen Grasklumpen und zerrte am Griff, um die Wurzeln zu lockern, bevor sie ihn herauszog und zu einem Haufen anderer störender Gewächse aus dem Gartenbeet warf. Sie erinnerte sich daran, was ihre Mutter ihr vor Jahren beigebracht hatte. Es war schon lustig, was für Erinnerungen man hatte. Durch die physische Arbeit der letzten Stunde war viel von ihrem Zorn auf Simon verraucht. Es war schwer, ihm lange böse zu sein. So war es immer gewesen. Im Inneren wusste sie, dass er ein guter Mensch war, der ihr nie absichtlich Schmerz zufügen würde. Wenn ihn irgendeine Schuld traf, dann die, dass er naiv genug gewesen war, zu glauben, dass die Oberschwester sein Geständnis als vertraulich behandeln würde.
Jessica hockte sich hin, um ihr Werk zu betrachten. Die beständige Arbeit der letzten Wochen begann ihre Wirkung zu zeigen. Im Vergleich dazu, musste sie feststellen, waren die Ergebnisse im juristischen Beruf nicht immer so klar. Dort gab es Ernüchterung, Enttäuschung, und selbst wenn man gewann, schmeckte der Sieg oftmals schal.
Sie hatte die meisten Jahresgehölze beschnitten, eines der Gartenbeete am Ziegelsteinpfad zur vorderen Veranda gejätet, und wenn sie heute mit dem anderen Beet fertig werden würde, würde der Vorgarten wieder so aussehen, als ob sich jemand darum kümmerte. Ja, dachte sie, als sie die Pflanzen und die Klematis betrachtete, die über das Geländer der Veranda wucherte, und nickte sich selbst zu. Es war befriedigend, die Resultate seiner Arbeit vor sich zu sehen.
Außerdem war Jessica der therapeutische Effekt von körperlicher Arbeit klar geworden. Es ermüdete sie angenehm und erlaubte ihr, sich auf etwas anderes als die unglückliche Vergangenheit zu konzentrieren. Dennoch war es nach wie vor schwer, und sie focht einen ständigen Kampf damit aus, Damian aus ihren Gedanken und Erinnerungen zu verbannen. Dabei waren Erinnerungen alles, was ihr von ihm blieb.
Sie riss an einem besonders hartnäckigen Unkraut, bis es endlich aus dem Boden kam. Hab ich dich! Sie grinste triumphierend, als sie es auf den Haufen warf. Dann stand sie auf und streckte sich, wobei sich ihr Top anhob und einen Bauch ohne jeden Fettansatz freigab. Als sie ihren Rücken streckte, spannten sich die Muskeln an und entspannten sich dann langsam wieder, doch die Steifheit blieb. Sie machte ein paar halbherzige Übungen für ihre Beine und die Wadenmuskeln, die wehzutun begannen. Meine Güte, war sie schlecht in Form! Vor Damians Tod war sie drei mal wöchentlich im Fitness-Studio gewesen. Aber seitdem …
Schwer atmend von der Anstrengung nahm sie sich Zeit, um sich
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