Das Lied der roten Steine: Australien-Saga (German Edition)
meisten Berichte über die Strafgefangenen auf Norfolk aufbewahrt.«
»Und in der Zwischenzeit werde ich die Dosis der Beruhigungsmittel für Jessica erhöhen«, erklärte Simon.
Nachdenklich sah Marcus Simon an. »Halten Sie das für richtig? Sie wollen doch nicht, dass Jessica zu einem Zombie wird. Außerdem besteht die Gefahr, dass Sie es dem Geist oder was auch immer es ist, noch leichter machen, sich in ihrem Unterbewusstsein einzunisten, wenn sie unter dem Einfluss von Beruhigungsmitteln steht.«
Frustriert warf Simon seinen Stift weg. »Was soll ich dann tun? Soll ich eine Gesellschafterin engagieren, die sie bewacht?«
»Das würde ihr nicht gefallen«, stellte Marcus rasch klar. »Ich glaube nicht, Simon, dass Jessica versuchen wird, sich etwas anzutun. Bislang hat sie bei keiner dieser Heimsuchungen oder Manifestationen oder auch danach irgendwelche Anzeichen für Selbstmordabsichten gezeigt. Ganz im Gegenteil. Ich glaube, sie ist außerordentlich gefasst, wenn man bedenkt, was sie durchmacht. Jemand mit weniger geistiger Kraft würde von diesen Vorkommnissen möglicherweise völlig aus der Bahn geworfen werden.« Er fixierte Simon. »Ich glaube, es ist wichtig, dass Sie ihr erlauben, sich so normal wie möglich zu verhalten. Erhöhen Sie die Dosis nicht, und tun Sie nicht so, als ob Sie ihr nicht vertrauen würden. Dieses … was auch immer es ist … Also, ich glaube, dass es ihr keinen Schaden zufügen will, weder geistig noch physisch.«
Sue Levinski unterbrach ihn mit einem leisen Lachen. »Marcus, wissen Sie, wie unwissenschaftlich das klingt? Geister, Manifestationen, Heimsuchungen. Mein Gott, sollen wir etwa eine weiße Hexe oder einen Geisterheiler holen?«
Er funkelte sie an. »Glauben Sie nicht, dass ich nicht schon daran gedacht hätte.« Dann seufzte er. »Ich weiß, dass Sie beide nicht glauben, dass ich auf der richtigen Spur bin, aber ich versichere Ihnen, auch mir liegt Jessicas Wohl am Herzen. Ich bitte Sie nur darum, mir etwas Zeit zu geben, um nach den Namen aus ihren Träumen zu forschen, die sie mir genannt hat. Wenn das keinen Erfolg bringt, werden wir die Lage neu überdenken und eine andere Art der Behandlung versuchen.«
Widerstrebend zuckte Simon mit den Schultern. »Natürlich, Marcus. Genau wie Sie will ich nur das Beste für Jess. Es ist nur so verdammt frustrierend. Ich habe das Gefühl, dass sie sich mir entzieht, vielleicht wegen dem, was in ihrem Kopf vor sich geht. Ich weiß es nicht …«
»Ich glaube, wir müssen alle etwas mehr Geduld haben«, warf Sue beruhigend ein. »Als Profis wissen wir doch, dass die Heilung geistiger Probleme eines Patienten nicht über Nacht erfolgt.« Wenn überhaupt , fügte sie im Geiste hinzu, ein triumphierendes Lächeln verbergend.
Selbst wenn sie es minutiös geplant hätte, hätte es nicht besser laufen können. Simon hatte so gut wie zugegeben, dass seine Ehe in einer Krise steckte. Marcus war der Meinung, dass Jessicas Geist von einem lächerlichen Gespenst besessen war, was sie daran zweifeln ließ, ob er als Psychologe auch nur halb so gut war, wie Nan behauptete. Und Jessicas Probleme eskalierten. Gott, wenn sie dem Alkohol nicht abgeschworen hätte, dann würde sie heute Abend die Champagnerkorken knallen lassen. Aber keine Sorge, in nicht allzu ferner Zukunft gab es bestimmt eine Gelegenheit zum Feiern. Sie musste nur ganz subtil dazu beitragen, dass sich Simon immer weiter von Jessica entfernte. Was nicht allzu schwer sein sollte, da er zugegeben hatte, dass es zwischen ihm und Jessica nicht ganz so gut lief.
Marcus schaute auf die Uhr und nahm dann seine Aktentasche. »Ich muss gehen. Meine Kinder kommen mit dem nächsten Flugzeug an.«
»Oh?« Simons Kopf schoss in die Höhe. »Ferien?« Als Marcus nickte, runzelte er die Stirn. »Aber … Sie werden doch noch Zeit für Jessica haben, oder? Ich meine, sie braucht den Kontakt, die Überwachung.«
»Natürlich«, bestätigte Marcus. »Rory und Kate werden nicht mal eine Woche hier sein. Ich richte meine Besuche bei Jessica nach ihnen aus.« Einen Moment hielt er nachdenklich inne. »Ich glaube sogar, dass es gut wäre, wenn sie uns auf ein paar Ausflügen begleiten würde. Vielleicht ein Picknick und ein Besuch am Strand. Möglicherweise hilft es ihr, aus sich herauszukommen.« Er sah Simon an. »Wenn Sie nichts dagegen haben?«
»Nein, nein, ganz und gar nicht«, stimmte Simon leichthin zu.
Nachdem Marcus gegangen war, konnten Simon und Sue ihrer wahren Meinung
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