Das Lied der roten Steine: Australien-Saga (German Edition)
sich so stark verändert hatte.
Jessica betrachtete das Gemälde, besonders die Gesichter. »Ich weiß, was du meinst. In diesen beiden Gesichtern spiegelt sich so viel Grausamkeit und Gemeinheit wider. Ich kann immer noch nicht glauben, dass ich sie gemalt haben soll.« Einen Moment lang überlegte sie, ob sie Sarahs Zeichenkünste erwähnen sollte, ließ es jedoch lieber. Sie konnte sehen, wie sein Blutdruck stieg, sobald sie ihren Namen aussprach.
»Mir fällt es schwer, überhaupt etwas zu glauben, was dir passiert ist. Es ist so verdammt … absonderlich.«
»Marcus meint, das Bild müsse irgendeine besondere Bedeutung haben, und ich glaube, damit hat er Recht.«
»Um Himmels willen, warum werden wir das verdammte Ding nicht einfach los? Vielleicht hören dann auch die anderen Dinge, die Kälte und die Träume, auf. Lass es uns verbrennen.« In freudiger Erwartung rieb er sich die Hände. »Ich bin in der Stimmung für einen kleinen Scheiterhaufen.«
Sie musste das Erstaunen über seinen abrupten Anfall von Begeisterung verbergen. Simon meinte es ernst, er glaubte wirklich, wenn er das Bild verbrannte, würde alles wieder so sein, wie es war. »Das kann ich nicht tun. Sarah sagt … sie braucht mich.«
»Sarah sagt«, äffte sie Simon nach. »Herrgott, weißt du, wie verrückt sich das anhört? Du tust ja so, als ob du Sarah für real hältst. Das ist sie nicht, Jessica. Sarah ist eine Gestalt aus einem Traum, das ist alles.« Er stellte den Cognac weg, beugte sich zu ihr und fasste sie an den Schultern, um sie einmal kräftig zu schütteln. »Reiß dich zusammen, bevor das Ganze außer Kontrolle gerät. Jess, ich bitte dich, lass mich das Bild verbrennen. Es ist, als ob wir damit all unsere Probleme verbrennen. Vertrau mir.«
Sie sah den fanatischen Ausdruck in seinen Augen, und ein Schauer überlief sie. Wenn Simon das Bild zerstörte, zerstörte er möglicherweise damit auch die Verbindung zu Sarah oder verschlimmerte ihre Probleme nur. Das konnte sie nicht riskieren, nicht einmal, um ihn zu besänftigen.
»Nein.« Sie sah, wie er zum Bild ging. »Nein, Simon. Ich meine es ernst. Ich gebe nicht vor zu verstehen, was mir geschieht, aber ich fange an zu sehen, dass es irgendwo einen Grund dafür geben muss. Das Bild gehört irgendwie dazu, und du wirst es nicht anfassen.«
Simon wandte sich um und starrte sie an, lange Zeit. Dann fuhr er sich abwesend mit den Fingern durch die Haare und murmelte: »Ich glaube es einfach nicht … Vielleicht wirst du ja doch verrückt.« Damit stampfte er wütend aus dem Raum.
Tränen schossen Jessica in die Augen und liefen ihr langsam über das Gesicht. Wie konnte er nur so etwas Gemeines sagen! Also kam endlich heraus, was er wirklich von ihr dachte. Er glaubte, dass sie geistesgestört war, obwohl er bisher standhaft das Gegenteil behauptet hatte. Der alte Simon, der sensible, zärtliche Ehemann, an den sie sich erinnerte, hätte so etwas Verletzendes niemals gesagt.
Sie wollte den alten Simon zurück, aber sie fürchtete, dass sie ihn für immer verloren hatte. Seufzend schob sie die Kaffeetasse von sich. Der Kaffee schmeckte auf einmal sehr bitter.
15
ch hasse es, dir lästig zu fallen, Nan«, sagte Jessica, als sie ihre Tasche neben dem Bett auf den Boden fallen ließ. »Aber du fällst mir nicht lästig«, erklärte Nan, die in dem kleinen Schlafzimmer herumwuselte, die Decken glatt strich und die Kissen aufschüttelte. »Simon ist nur zwei Nächte in Sydney bei dieser Gesundheitskonferenz, aber er hat Recht, du solltest nicht allein im Cottage bleiben. Außerdem kommen wir beide doch gut miteinander aus, nicht wahr?«, meinte sie mit einem Seitenblick und betonte: »Und überhaupt brauchst du mindestens genauso dringend eine weitere Töpferstunde wie ich jemanden, der mir hilft. Wenn Rory und Kate da sind, kann ich schlecht arbeiten, dauernd kommen sie herein und stören meine Konzentration.«
Jessica lächelte. Nan Duncan hatte wirklich Talent dafür, dass sich Leute bei ihr wohl fühlten.
»Ja, ich brauche eine weitere Stunde. Meine erste hat ja ein ziemlich desaströses Ende genommen«, erinnerte sie sich. Damals war sie zum ersten Mal Sarah begegnet und hatte sich in die Hand geschnitten.
»Und mit Rory und Kate kommst du auch gut aus, nicht wahr? Sie fahren morgen wieder nach Hause.«
»Es war schön, sie kennen zu lernen, es sind gute Kinder – für Teenager«, schwächte sie lächelnd ab. »Die beiden von meiner Schwester sind, nun ja,
Weitere Kostenlose Bücher