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Das Lied der schwarzen Berge

Das Lied der schwarzen Berge

Titel: Das Lied der schwarzen Berge Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Heinz G. Konsalik
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bestimmte und als der beste Kenner der Berge galt.
    Es war der Schäfer Jossip Petaki.
    Mit unendlichem Fleiß durchstöberte er die Schluchten, die bisher noch kein Fremder betreten hatte … er führte die Kolonnen in Gegenden, die einem Mondgebirge glichen, und in Täler, deren unberührte Schönheit selbst die alten Montenegriner staunen ließ. Immer aber führte er sie um ein kleines verstecktes und auf keiner Flugfotografie erkennbares Plateau herum, wo, an einen Felsen geklebt, seine Hütte stand, geschützt durch einen Felsenring, der diesen kleinen Flecken ebener Erde wie einen Wall umgab.
    Hauptmann Vrana und Osik saßen vor den großen Karten, die nach den Fotos gezeichnet worden waren, und bestimmten die neuen Gebiete für den kommenden Tag. Ralf Meerholdt rauchte nervös eine Zigarette, während die Beamten aus Belgrad das saure Bier Bonellis tranken. Der Offizier der Geheimen Polizei war noch unterwegs … er ging einem unbestimmten Gefühl nach und überprüfte das Leben jedes Bauern und Hirten aus Zabari.
    Jossip stand am Fenster und rauchte eine dicke, selbstgeschnitzte Pfeife. Wortkarg wie immer beobachtete er, wie Hauptmann Vrana die neuen Gebiete mit bunten Fähnchen absteckte. Sie lagen weitab seines Versteckes.
    Jossip lächelte still.
    »Wie weit kann man in einer Nacht kommen, Jossip?« fragte Vrana und sah den Schäfer kurz an. Jossip wiegte den Kopf.
    »Wenn er gut läuft, ein schönes Stück. Man muß allerdings die Berge kennen. Ein Fremder verirrt sich leicht und kommt nicht weit. Felsspalten sperren ihm den Weg, Bergwände oder steil abfallende Hänge.« Er stieß den Rauch aus seiner Pfeife in dicken Wolken aus. »Man muß die Berge kennen …«
    Stanis Osik hüstelte. »Ein Kraut raucht der Kerl! Ob er Gras schneidet und es trocknet? Es ist nicht zum Aushalten!«
    Hauptmann Vrana kratzte sich den Kopf. »Am Tage kann er nicht flüchten?« fragte er. Jossip hob die Schultern.
    »Wenn er in der Nacht weit genug gekommen ist, hindert ihn niemand daran. In den Bergen begegnet ihm keiner.«
    »Wir haben am Morgen nach der Entdeckung des Überfalls sofort den ganzen Umkreis abgesucht. Der Täter hatte einen Vorsprung von etwa acht Stunden!«
    »Das ist viel«, sagte Jossip.
    Vrana schüttelte den Kopf. »Mir will es nicht einleuchten, daß er das Mädchen tagelang durch die rauhen Felsen schleppt! Wozu? Wo will er hin? Alle Orte, alle Dörfer der Umgebung sind alarmiert. Es gibt keinen Bergbauern mehr, der nicht wachsam ist. Herr Osik hat die Belohnung auf 100.000 Dinare hinaufgesetzt … dafür verrät man unter Umständen seinen eigenen Bruder!«
    »Bei uns nicht«, sagte Jossip gleichgültig. »Vielleicht sollten wir gar nicht mehr suchen … nach den Lebenden! Vielleicht sollte man nach einer Toten suchen?!«
    Stanis Osik wurde bleich und setzte sich schwer. »Der Kerl raucht nicht nur Gift, er hat auch Gift im Gehirn«, stöhnte er. »Warum soll meine Tochter tot sein?« schrie er Jossip an.
    Jossip hob die breiten Schultern. »Weiß ich, warum sie geraubt wurde …?«
    Osik stützte den schweren Kopf in die Hände. »Dieser Kerl bringt mich um den Verstand«, stöhnte er. »Ich werfe ihn gleich hinaus.«
    Hauptmann Vrana hob begütigend seine Hände. »Wir brauchen ihn. Ohne seine Hilfe und Führung kommen wir trotz der Flugaufnahmen nie in die unwegsamen Schluchten. Wenn einer ihre Tochter finden kann, so ist es Jossip Petaki …«
    Stanis Osik nickte und seufzte. Mit starrem Gesicht, wie mit einer Maske bekleidet, stand Jossip am Fenster und rauchte. Er hat recht, dachte er triumphierend. Aber keiner wird sie finden, keiner …
    Am fünften Tage wurde die Suche eingestellt. Stanis Osik brach zusammen und wurde mit einem Krankenwagen von Zabari weg nach Sarajewo gebracht. Dort legte er Trauerkleider an und floh weiter nach Zagreb. In seiner weißen Villa vergrub er sich, empfing niemanden, stellte das Telefon ab und saß stundenlang vor einem Bild Elenas, das sie in einem engen Reitdreß zeigte, lachend, gesund und hübsch. Dann weinte der dicke Mann und büßte für die Sünden, die er in seinem Leben angesammelt hatte.
    Ralf Meerholdt schenkte Jossip für seine Hilfe bei der Suche einen guten Gummimantel, feste, derbe Gebirgsschuhe und 1.000 Dinare. »Kauf dir davon, was du willst«, sagte er stockend. »Ich weiß, daß dir 100.000 lieber gewesen wären.«
    Jossip dankte mit einem Brummen und verließ die Baracke. Auf der Lagergasse steckte er die 1.000 Dinare ein und ging weiter.

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