Das Lied der schwarzen Berge
Vor Bonellis Kantine zögerte er, dann betrat er sie und ging an die Theke. Bonelli stand selbst dahinter und nickte Jossip zu.
»Suche aufgegeben?« fragte er. »Ein Jammer um das Mädchen! Wenn man jemals den Kerl bekommt, der das getan hat – ich hänge ihn eigenhändig auf!«
Jossips Augen wurden starr. »Halt das Maul.« Er warf die 1.000 Dinare auf den Tisch und wies auf die Regale. »Pack mir ein: Mehl, Zucker, Tee, Wurst, Salz, ein paar Büchsen mit Gemüse, eine Flasche Slibowitz.«
Bonelli blickte auf die 1.000 Dinare und pfiff durch die Zähne. »Dein Führergeld?« Er schob es weg. »Spare es dir und verfriß es nicht sinnlos.«
Jossip beugte sich vor. »Pack ein, Idiot!« schrie er.
Bonelli flog an das Regal und holte die Waren herab. Er packte sie in einen großen Sack, in dem er die Kartoffeln erhielt, und wuchtete ihn Jossip vor die Nase. »Da, du Rindvieh! Friß dich tot dran und krepier im Wald! Eher legt eine Kuh Eier, anstatt daß ihr Verstand bekommt!«
Jossip nahm den schweren Sack und warf ihn über die Schulter. Wortlos verließ er die Kantine und schritt dem Hang zu. Bonelli sah ihm aus dem Fenster nach, wie er die Rodung hinauftappte und dann im Wald verschwand.
»Ein komischer Kauz«, sagte er laut. »Dem fehlen auch ein paar Drähte im Gehirn …«
Als Jossip die Tür seiner Hütte aufschloß und sie aufstieß, kam ihm zunächst ein dickes Holzscheit entgegengeflogen, dem ein Schemel folgte. Jossip lächelte und benutzte die Tür als Deckung, indem er sie vor sich herschob und um die Ecke blickte.
Elena saß am Feuer, einen Stapel Holz neben sich und wartete darauf, daß Jossip im Türrahmen erschien. Ihre Haare hingen ihr ungepflegt um den Kopf, das Gesicht war bleich und von Wut verzerrt.
»Komm 'rein, du Satan!« schrie sie. »Ich bringe dich um.«
Mit einem Sprung war Jossip in der Hütte und hatte ihr das wurfbereite Holzscheit aus der Hand geschlagen. Sie wollte aufspringen, aber er schleuderte sie auf das Strohlager zurück und nahm von der Wand eine lange, aus Schafshaar geflochtene Peitsche.
»Du bleibst liegen!« sagte er scharf. »Oder ich peitsche dich aus!«
Elena duckte sich und schwieg. Sie beobachtete, wie Jossip den Sack hereinholte und auf den roh gezimmerten Tisch legte. »Für dich!« sagte er dabei. »Das beste Essen, das es unten im Lager gibt. Für 1.000 Dinare.«
»Du lügst! Woher willst du 1.000 Dinare haben!«
»Ich habe sie verdient. Ich habe die Kolonnen geführt, die dich suchen sollten.«
»Du bist der ekelhafteste Schuft, den ich kennengelernt habe!« Sie richtete sich auf und kam näher, Jossip hob die Peitsche, aber er schlug nicht zu. »Warum hältst du mich hier fest?«
»Das hast du schon hundertmal gefragt! Du hast Rosa geschlagen! Du hast sie beleidigt … ich werde dich dafür bestrafen!«
»Mit Wasser und Brot?«
»Mit dem Tod …«
Jossip sagte es völlig ungerührt, aber Elena spürte, daß es Ernst war. Merkwürdigerweise empfand sie keine Angst, sondern eine Art Neugier, wie er es wohl anstellen wollte, sie zu töten. Zudem verstand sie nicht, warum er sie überhaupt mit in seine versteckte Hütte genommen hatte, anstatt sie in ihrem Zimmer einfach umzubringen.
»Zieh dich um!« sagte Jossip plötzlich.
»Warum?«
»Zieh dich um!« Er hob die Peitsche und ließ sie leicht auf Elenas Schultern fallen. Es war nur ein streichelnder Schlag, aber sie wußte, daß der zweite fester sein würde, und der dritte Striemen durch ihr Fleisch zog. Sie knöpfte ihr Kleid auf und sah Jossip dann an. Ihre Augen flatterten.
»Dreh dich 'rum, du Hund!« zischte sie.
»Warum? Ich will den Körper sehen, ehe er verfault.«
»Scheusal!« Sie zog das Kleid über den Kopf und stand in der dünnen Unterwäsche vor Jossip. Er nahm das Kleid und nickte. »Das andere auch!«
»Was?« fragte sie entsetzt. Plötzlich begann sie zu zittern.
»Das Seidenzeug!«
»Nein!«
Jossip hob wieder die Peitsche, aber Elena schüttelte wild den Kopf. »Und wenn du mich totschlägst … ich ziehe es nicht aus! Hol es dir doch!« Sie sprang zum Herd und riß einen langen Holzkloben aus dem Stoß. Jossip lachte, seine Zähne leuchteten zwischen den schmalen Lippen.
»Ich fasse dich nicht an«, sagte er. »So schön du auch bist, ich nehme dich nicht!«
Er tappte zu einer Wand, schob einen Balken zur Seite und entnahm aus der Höhlung, die entstand, ein langes Messer und ein altes, langläufiges Gewehr. Damit kam er zu Elena zurück und legte beides auf den
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