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Das Lied von Eis und Feuer 02 - Das Erbe von Winterfell

Das Lied von Eis und Feuer 02 - Das Erbe von Winterfell

Titel: Das Lied von Eis und Feuer 02 - Das Erbe von Winterfell Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: George R R Martin
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gesplitterten Knochen, die Geists Zähne zurückgelassen hatten. Seine rechte Hand lag in einem Glas mit Essig, oben in Maester Aemons Turm. Seine linke Hand, die sich noch am Arm befand, war schwarz wie sein Umhang.
    »Gnaden uns die Götter«, murmelte der Alte Bär. Er schwang sich von seinem Klepper, reichte Jon die Zügel. Der Morgen war unnatürlich warm, Schweiß stand auf der breiten Stirn des Lord Kommandanten wie Tau auf einer Melone. Sein Pferd war unruhig, rollte mit den Augen, wich vor dem toten Mann zurück, so weit die Zügel es erlaubten. Jon führte die Stute ein paar Schritte weiter, musste sich anstrengen, damit sie nicht durchging. Den Pferden gefiel es an diesem Ort nicht. Da ging es ihnen wie Jon.
    Die Hunde mochten ihn am allerwenigsten. Geist hatte
den Trupp geführt, das Rudel Hunde war nutzlos gewesen. Als Bass, der Hundeführer, versucht hatte, sie die Witterung von der abgebissenen Hand aufzunehmen, waren sie wild geworden, hatten gejault und geheult und wollten ausreißen. Selbst jetzt noch knurrten und winselten sie abwechselnd, zerrten an ihren Leinen.
    Es ist nur ein Wald, redete sich Jon ein, und es sind nur tote Männer. Schon früher hatte er tote Männer gesehen …
    In der letzten Nacht hatte ihn wieder sein Traum von Winterfell heimgesucht. Er wanderte durch die leere Burg, suchte nach seinem Vater, stieg in die Gruft hinab. Nur war der Traum diesmal weiter gegangen als je vorher. In der Dunkelheit hatte er das Scharren von Stein auf Stein gehört. Er drehte sich um und sah, dass die Gräber sich öffneten, eines nach dem anderen. Als die toten Könige aus ihren kalten, schwarzen Gräbern taumelten, war Jon in pechschwarzer Finsternis erwacht, mit pochendem Herzen. Selbst Geist, der aufs Bett sprang, um sich an sein Gesicht zu schmiegen, konnte sein tiefes Entsetzen nicht mildern. Er wagte nicht, wieder einzuschlafen. Stattdessen war er auf die Mauer gestiegen und herumgewandert, rastlos, bis das Licht des neuen Morgens im Osten dämmerte. Es war ein Traum. Ich bin jetzt ein Bruder der Nachtwache, kein ängstlicher Junge mehr.
    Samwell Tarly kauerte unter den Bäumen, halb verborgen hinter den Pferden. Sein rundes, dickliches Gesicht hatte die Farbe geronnener Milch. Bisher war er noch nicht in den Wald gewankt, um sich zu übergeben, und hatte auch die toten Männer noch keines Blickes gewürdigt. »Ich kann nicht hinsehen«, flüsterte er unglücklich.
    »Du musst hinsehen«, erklärte Jon und sprach dabei mit so leiser Stimme, dass die anderen ihn nicht hören konnten. »Maester Aemon hat dich geschickt, damit du für ihn siehst, oder? Was nützen einem Augen, wenn sie geschlossen sind?«

    »Ja, aber … ich bin ein solcher Feigling, Jon.«
    Jon legte Sam eine Hand auf die Schulter. »Wir haben ein Dutzend Grenzwachen bei uns, dazu die Hunde und außerdem noch Geist. Niemand wird dir etwas tun, Sam. Geh hin, und sieh sie dir an. Der erste Blick ist der schwerste.«
    Sam nickte bebend, sammelte mit sichtlicher Mühe seinen ganzen Mut. Langsam drehte er den Kopf. Seine Augen wurden groß, doch Jon hielt ihn beim Arm, damit er sich nicht abwenden konnte.
    »Ser Jarmy«, fragte der Alte Bär schroff, »Ben Stark hatte sechs Männer bei sich, als er von der Mauer losritt. Wo sind die anderen?«
    Ser Jarmy schüttelte den Kopf. »Wenn ich das wüsste.«
    Offensichtlich wollte sich Mormont mit dieser Antwort nicht zufriedengeben. »Zwei eurer Brüder wurden fast in Sichtweite der Mauer niedergemetzelt, aber ihr Grenzer habt nichts gehört und nichts gesehen. Was ist aus der Nachtwache geworden? Durchstreifen wir noch diese Wälder?«
    »Ja, Mylord, aber …«
    »Haben wir noch Wachtposten?«
    »Haben wir, aber …«
    »Dieser Mann trägt ein Jagdhorn bei sich.« Mormont deutete auf Othor. »Muss ich annehmen, dass er gestorben ist, ohne hineingeblasen zu haben? Oder seid ihr Grenzer allesamt so taub geworden, wie ihr blind seid?«
    Ser Jarmy richtete sich auf, seine Miene starr vor Zorn. »Es wurde kein Horn geblasen, Mylord, sonst hätten meine Grenzer es gehört. Ich habe nicht genügend Männer, um so viele Patrouillen auszusenden, wie ich gern würde … und da Benjen vermisst wurde, haben wir uns näher an der Mauer gehalten, als es vorher von uns erwartet wurde, auf Euren eigenen Befehl hin.«
    Der Alte Bär grunzte. »Ja. Gut.« Er machte eine ungeduldige Geste. »Sagt mir, wie sie gestorben sind.«

    Als er neben dem toten Mann hockte, in dem er Jafer Blumen erkannt hatte,

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