Das Los: Thriller (German Edition)
Krans ein gutes Stück in den lehmigen Boden gebohrt hatte und dessen Streben an den fensterlosen Scheiben zu skurrilen Gebilden verbogen waren. Er hangelte sich hinein und blickte auf das, was einmal das Armaturenbrett gewesen war. Auf ihm fehlten alle Knöpfe, und auch die Kabel waren vor langer Zeit bereits herausgerissen worden, sodass ihm nun schwarze Löcher entgegenstarrten. Mit suchendem Blick schaute er sich um und griff schließlich nach einem kurzen Eisenrohr, das im Dreck neben ihm lag. Mit dem zerfurchten Ende begann er unter der Vorrichtung, die einmal den Lenkknüppel des Krans beherbergt hatte, im Lehm zu schaben. Erst vorsichtig, dann immer verbissener.
Plötzlich war das Geräusch von Metall auf Metall zu hören. Mit hektischen Bewegungen wischte er die Erde zur Seite und legte eine Fläche aus blankem Metall frei. Nach mühevoller Arbeit, während der nur sein schnaufender Atem und das kratzende Geräusch des Eisenrohrs zu hören war, gelang es ihm endlich, den Gegenstand aus der Erde zu ziehen. Schweißdurchtränkt und erschöpft kletterte er ins Freie und entfernte die Reste des braunen Lehms von seinem Fund.
»Salaam Bombay« , murmelte er, und während er die Dabba in seiner Hand betrachtete, hatte er das Gefühl, als würde ihm jemand einen warmen Mantel um die Schultern legen.
So fühlte es sich also an, wenn man Glück hatte!
Fast hatte er dieses Gefühl vergessen. Er prüfte den ledernen Riemen, der immer noch gut erhalten war. Ein wohliges Vibrieren breitete sich von der Hüfte kommend über seinen Körper aus, und er brauchte eine kleine Weile, bis ihm klar wurde, dass sein Handy klingelte.
»Pradeep Kottayil?«, fragte eine unbekannte Stimme.
»Ja«, röchelte er; seine Kehle war vom Staub und von der Hitze vollkommen ausgetrocknet.
»Es ist soweit. Kannst du zum Telefonladen kommen? Warte davor.«
Pradeep nickte zuerst nur, dann beeilte er sich, ein »Okay« in das Handy zu rufen.
»In einer Stunde.« Dann war das Gespräch beendet.
Pradeep drückte die Dabba an seinen Körper, als wäre sie ein Baby, und machte, dass er zur Straße zurückkam.
Die Sonne war bereits fast hinter den hohen Häusern verschwunden und das Gelände vor ihm in ein dunkelrotes Zwielicht getaucht, sodass es für ihn schwierig war, jede Unebenheit zu erkennen.
Aus einer Vertiefung, der er erst im letzten Moment mit einem großen Schritt auswich, stieg zu ihm der Gedanke auf, dass nun alles gut werden würde.
Schon morgen würde er viel Geld haben und eine nutzlose Niere weniger.
Endlich erreichte er ein Häuschen, das vielleicht einmal ein Parkwächterhaus dargestellt hatte. Dahinter würde er auf dem Bürgersteig schnell zurück zum Bahnhof kommen und von dort rechtzeitig zu Sushil gelangen.
Ein Auto stoppte plötzlich direkt neben ihm, und das Quietschen der Bremsen schmerzte in seinen Ohren. Bevor er verstand, was der Grund für das Bremsmanöver war, sprangen zwei Männer aus dem Auto und stürzten auf ihn zu. Einer hielt etwas Weißes in der Hand, und gerade als er überrascht aufschreien wollte, stülpte der Mann es ihm über den Kopf. Er wollte laut um Hilfe rufen, doch beim Einatmen saugte er nur den Stoff des Sacks in seinen Mund. Ein penetranter Geruch nach Plastik stieg in seine Nase. Arme umschlangen ihn wie Seile, und die Dabba fiel mit einem scheppernden Geräusch zu Boden. Bevor er nach ihr greifen konnte, schien er plötzlich zu schweben, und etwas Weiches drückte in seinen Bauch. Autotüren schlugen, gedämpfte Musik erklang.
Sein Atem wurde schneller. Ein Gedanke tauchte in ihm auf, wilder und grausamer als jeder andere zuvor, riss sich los und zerfetzte alle anderen Gedanken, die es wagten, sich ihm in den Weg zu stellen: Er würde sterben.
Und mit ihm auch Pandita.
57
B ERLIN , 1764
Die Dielen knarrten unter seinen Schuhen. Vorsichtig bückte sich Calzabigi und legte die rote Rose auf der Schwelle vor ihrer Tür ab. Seit Marie ihm unter Tränen mitgeteilt hatte, dass sie ihn erst einmal nicht verlassen, sondern bei ihm bleiben würde, hatte er dieses Ritual jeden Morgen vollzogen.
Er redete sich ein, dass er es aus Dankbarkeit tat, aber er wusste es natürlich besser. Er schäumte über vor Liebe, und wenn er seiner Zuneigung nicht in irgendeiner Weise Ausdruck verleihen konnte, drohte er zu verbrennen.
Er stellte sich vor, wie Marie jeden Morgen als Erstes nach der Rose schaute, mit geschlossenen Augen ihren Duft einsog und sie dann sorgfältig zu den anderen in eine
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