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Das Los: Thriller (German Edition)

Das Los: Thriller (German Edition)

Titel: Das Los: Thriller (German Edition) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Tibor Rode
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päpstlichen Lotterie zu tun.
    In den vergangenen Tagen war er in Gedanken jedes einzelne Wort des Mönchs noch einmal durchgegangen und hatte das Blatt mit den Regeln wieder und wieder studiert. Er hatte auch in der Gefängnisbibliothek nach Büchern zu den Themen Lotterie, Preußen und sogar Papst Clemens XIII. gesucht, aber war nicht fündig geworden. Normalerweise würde er nun abwarten müssen, ob der Mönch jemals wieder etwas von sich hören ließ. In Freiheit hätte er vielleicht die eine oder andere Erkundigung einholen können. Woher kam dieser Mönch, und wohin ging er? Wer waren die anderen Mitspieler in der Lotterie? Und am wichtigsten: Musste man sich bei dieser Lotterie tatsächlich auf sein Glück verlassen – auf die wankelmütige Göttin Fortuna?
    Unwillkürlich stieg in ihm das Bild einer jungen, wunderschönen Frau auf, an die er schon lange nicht mehr gedacht hatte. Als frischgebackener Rechtsanwalt hatte zu seinem Mandantenkreis ein aufstrebender Zuhälter namens Zico gezählt, für den eine junge Ungarin als Hure anschaffen gegangen war, die sich selbst nur »Fortuna« nannte. Sie besaß die längsten Beine und einen Kussmund, mit dem sie Dinge anstellen konnte, von denen jeder Mann nur träumte. Einmal durfte Henri als Bezahlung für einen erfolgreichen Fall mit ihr eine ganze Nacht verbringen, und er hatte sich sofort in sie verliebt. In jener Nacht war im Prinzip nichts Besonderes geschehen. Er hatte sie zum Essen ausgeführt, und sie hatten sich Geschichten aus ihrer Kindheit erzählt. Als sie endlich doch im Bett landeten, hatte er nur an ihrem Haar gerochen und ihr den Rücken gestreichelt. Bis zum Morgen träumte er von einer gemeinsamen Zukunft, weit weg von allem; dann wachte er allein in dem Hotelzimmer auf. Danach reagierte sie, behütet von ihrem Zuhälter, auf keinen seiner Annäherungsversuche.
    Irgendwann war sie so beliebt, dass sie nur noch mit denen ging, die am meisten zahlten. Henri hatte lange gespart, um mit ihr eine weitere, ungestörte Nacht zu verbringen, in der er bestätigt finden wollte, dass er für sie doch etwas Besonderes gewesen war. Doch immer wenn er geglaubt hatte, genügend Geld zusammenzuhaben, hatte sich ihr Preis wieder erhöht.
    Eine Tages war sie mit einem mexikanischen Milliardär mitgegangen und für immer verschwunden.
    An diese Geschichte erinnerte er sich stets, wenn er an Fortuna dachte.
    Im Kopf ging er die Liste derer durch, die einige Zeit mit ihm eingesessen hatten, wieder frei waren und ihm noch einen Gefallen schuldeten. Die Liste war lang, doch keiner wusste besser als er, wie wenig man sich auf die Männer, die darauf standen, verlassen konnte.
    An einem Namen blieb er hängen. Jean Michel Verbeeck, ein Kunstfälscher, der gemeinsam mit ihm für sechs Jahre eingesessen hatte, bevor er dessen Auslieferung nach Belgien und damit die Entlassung auf Bewährung erreicht hatte. Verbeeck hatte Werke von Malern des amerikanischen Realismus, wie Hopper oder O’Keeffe, meisterhaft kopiert und in Deutschland zum Kauf angeboten. Dabei war er an einen Agenten des FBI geraten und verhaftet worden.
    Henris Blick fiel auf ein Gemälde an der Wand über seinem Bett. Es zeigte eine typisch kanadische Landschaft mit Wäldern, reißendem Fluss und einem Bären, der Lachse fischte. Ein echter Verbeeck, entstanden im Knast. Henri richtete sich auf, schob mit einer Verrenkung seinen Arm unter die Matratze und holte ein Mobiltelefon hervor. Er hielt das Telefon über das Los und machte ein Foto. Sein Daumen flog über die Tasten. Kurz zögerte er, dann drückte er auf Senden . Lange starrte er auf das Display, als könne er der soeben abgeschickten MMS hinterherschauen.
    Ein Scheppern an der Zellentür ließ ihn zusammenfahren.
    »Kommen Sie, Doktol! Es geht los!«, brüllte jemand vom Flur mit chinesischem Akzent. Es war Zhang, ein ehemaliger Poker-Profi, der wegen Totschlags einsaß und zur montäglichen Pokerrunde trommelte.
    »Ich komme!«, rief Henri und hievte sich in die sitzende Position.
    Er lupfte Verbeecks Bild vom Nagel und schob das Los in eine feine Öffnung zwischen Rückseite und Leinwand. Wenn Wärter bei den regelmäßigen Zellendurchsuchungen etwas in Ruhe ließen, dann war es Kunst. Für einen Moment folgte er mit seinen Augen den Pinselstrichen, die den Geruch des Waldes, das Rauschen des Flusses und das urwüchsige Knurren des Bären zu ihm trugen. Dann hängte er das Bild seufzend zurück an seinen Platz und machte sich auf den Weg zum

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