Das Los: Thriller (German Edition)
sie um die Chips auf dem Tisch spielen würden, fühlte sie sich nicht bereit. Denn dabei hätte sie ihn anschauen, seine Gesten lesen müssen. Sie und er allein – das war vorbei. Wenn er jetzt setzte, stieg sie raus, selbst bei Blättern, die spielbar waren. Warf er weg, setzte sie, auch mit Karten, die sie lieber nicht hätte spielen sollen. Es war, als mied man beim Tanzen die Musik. Sie betete darum, dass einer der anderen Spieler ihn vom Tisch nehmen würde. Ausgeschiedene Spieler mussten den Saal verlassen. Danach wäre sie frei und könnte endlich ihr Spiel spielen. Dann könnte sie es den anderen Männern am Tisch, allesamt Amateure oder Online-Spieler, die sie noch nie zuvor bei einem Turnier gesehen hatte, richtig zeigen. Nur derjenige, der am Ende übrig blieb, erreichte bei dieser Weltmeisterschaft die nächste Runde.
Ihre Gebete wurden jedoch nicht erhört, auch wenn der Tisch sich lichtete. Wie verlassene Schützengräben auf einem Schlachtfeld standen bald um sie herum lauter leere Stühle, zurückgelassen in Wut oder Trauer.
Von ehemals neun Spielern saßen bald, außer ihr, nur noch vier am Tisch.
Und plötzlich wusste Trisha, worauf das Ganze hier hinauslief. Sie war sich absolut sicher, was kommen würde. So wie man es wusste, wenn jemand einem etwas Schreckliches sagen wollte und man es in seinem Gesicht lesen konnte, bevor er auch nur ein einziges Wort gesprochen hatte. So wie ein aufkommender Wind, der einem im Sommer bei tiefhängenden Wolken das T-Shirt anhob und so den bevorstehenden Regenschauer ankündigte.
Erstmals schaute sie Chad direkt ins Gesicht. Als habe er ihren Blick gespürt, hob auch er den Kopf und sah sie an. Seine Augen verrieten, dass er es ebenfalls wusste.
Das Schicksal hatte sie heute gemeinsam an diesen Tisch gesetzt. So sehr sie sich auch sträubte, so viele Karten sie auch wegwarf. Welches Risiko sie mied oder einging. Es würde alles nichts nützen.
Dieses Spiel würde sich zwischen ihnen beiden entscheiden.
20
N EW Y ORK C ITY
Seine Sekretärin Meredith hatte ihm am Telefon erklärt, dass The Lab on Madison derzeit eines der angesagtesten Restaurants der Stadt war. Für Carter Fields war es daher nicht ungefährlich, dort aufzutauchen. Es bestand durchaus die Möglichkeit, dass plötzlich jemand vom Nebentisch aufstand, zu ihm herüberkam und von ihm die sofortige Herausgabe von einer, zehn oder auch zwanzig Millionen Dollar forderte.
War es in guten Zeiten ein Zeichen seines sagenhaften Erfolges, dass er überall auf der Welt und in Manhattan im Besonderen auf Investoren seines Fonds traf, stellten sie sich jetzt, wo alles zusammenbrach, als wandelnde Tretminen heraus. Ihm blieb heute jedoch nichts anderes übrig, als das Restaurant aufzusuchen. Er hatte sich mit George Hamilton verabredet, dem Leiter der zuständigen Aufsichtsbehörde SEC, und Zweck des Treffens war, dem Mann die Ermittlungen gegen ihn und seinen Fonds auszutreiben. Hamilton hatte dieses Restaurant für ihren Lunch vorgeschlagen, vermutlich weil er wusste, dass Carter zahlen würde und er es sich privat niemals würde leisten können. Da George Hamilton unter keinen Umständen misstrauisch werden durfte, war es für Carter unmöglich gewesen, das Treffen in irgendeine Spelunke im Meatpacking District oder in Brooklyn zu verlegen. So konnte eine Szene mit einem empörten Anleger in Gegenwart von George Hamilton für ihn zu einer wirklichen Katastrophe führen.
Carter nippte daher nervös an seinem Martini-Cocktail und scannte die voll besetzten Tische um ihn herum nach bekannten Gesichtern. Er griff in die Innentasche seines Anzugs und beförderte das Billighandy heraus, das Rick Gonzales ihm hatte zukommen lassen. Ein prüfender Blick zeigte, dass Gonzales eine SMS geschickt hatte, und er las die kurze Nachricht:
Wen?
Das Mobiltelefon in seiner Hand war ein Prepaid-Handy, mit dem sein Name nicht in Verbindung gebracht werden konnte. Es war die von Gonzales bevorzugte Art der Kommunikation. Gleich nachdem der komische Mönch sein Büro verlassen hatte, hatte er Gonzales kontaktiert. Gonzales war ein ehemaliger Navy Seal, der nach der Entlassung aus dem Militärdienst in die Sicherheitsbranche gewechselt war. Er stellte die Interessen seines Auftraggebers über alles andere, auch über das Gesetz. Sicherheit war seit Jahren eines der wertvollsten Güter für Carter, weshalb er regelmäßig auf Gonzales’ Dienste zurückgriff.
Carter tippte eine Antwort an Gonzales auf dem
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