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Das Lügenlied vom Glück: Erinnerungen (German Edition)

Das Lügenlied vom Glück: Erinnerungen (German Edition)

Titel: Das Lügenlied vom Glück: Erinnerungen (German Edition) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Veronika Fischer , Manfred Maurenbrecher
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gewisser Weise durch das Instrument vorgegeben. Wenn ich eine Note sehe, weiß ich, wie der Ton theoretisch zu klingen hat; gleichzeitig muss ich aber die Aussage des Textes im Kopf haben und mir überlegen, wie ich darauf mit meiner Stimme eingehen kann. Das muss alles zusammenpassen. Wenn ich etwas Vorlauf hatte, was nicht allzu oft vorkam, spielte ich mir die neuen Melodien zu Hause am Klavier vor, aber meist blieb nur ein Tag bis zum nächsten Auftritt. Auf der Bühne musste ich gleich zeigen, was ich dazugelernt hatte. Auch eine Möglichkeit, sich beständig weiterzuentwickeln … Aus heutiger Sicht würde ich sagen: nicht unbedingt die beste. Versuche sind nicht für die Augen und Ohren der Öffentlichkeit bestimmt. Sobald man eine Bühne betritt, sollte man die Songs im Griff haben. Aber was soll’s, wir experimentierten, und die Fans nahmen uns das nicht übel.
    Drei Auftritte an einem Tag war der pure Wahnsinn. Dreimal hintereinander neunzig Minuten auf Hochtouren, das kann nicht funktionieren. Einen der Auftritte konnten wir nur mit halber Kraft absolvieren, anders ging es gar nicht. Dazu kam das ganze Hin und Her zwischen den verschiedenen Spielorten, die Entfernungen, die an einem Tag überwunden werden mussten, das ständige Auf- und Abbauen von Instrumenten und Technik. In eigenen Erfolgszeiten später hatte man einen Backliner und den Tontechniker, die das erledigten. Bei Panta Rhei machten wir alles selbst. Ich durfte die Kabel zusammenrollen und die Mikrofone einpacken.

    »Panta Rhei, Alles fließt« – dieser Ausspruch des griechischen Philosophen Heraklit war nicht nur der Name der Band, sondern auch ihr Motto. Panta Rhei mischte verschiedenste Stile, die Musiker waren eigentlich alle Individualisten, wie es sie im Jazz so oft gibt, jeder ein spezieller Solist an seinem Instrument. Das Zusammenspiel war für den Auftritt natürlich wichtig, aber letztlich behielt jeder sein eigenes Können, die eigene Virtuosität im Auge. Für das Publikum ist dieser Wechsel aus Soli und gemeinsamen Passagen spannend, in der Gruppe selbst kann das hingegen zu Spannungen führen. Bei Rockmusikern ist das anders. Da bindet eine gemeinsame Idee, sie kann die schwächeren Mitglieder mittragen. Hauptsache, es passt zur Musik. Es sind verschiedene Modelle – vorher, bei den »Sternen«, war ich die Frontfrau in einer eingeschworenen Band gewesen, jetzt war ich Sängerin in einer Konzertformation.
    Bei Stern Meißen war ich auch das Mädel zwischen den Jungs, die Henne im Korb. Bei Panta Rhei erfuhr ich auf einmal Konkurrenz und Kollegenspott. Das hatte ich bis dahin nicht gekannt.
    Die kleinen und größeren Sticheleien kamen nicht ganz von ungefähr: Herby, der Gitarrist, hatte ein paar der Texte geschrieben und die meisten Stücke gesungen, bevor ich dazugekommen war. Ich hatte ihn also von seiner alten Position verdrängt. Das Publikum nahm mich freudig an, was die Sache für ihn nicht leichter machte. Es dauerte, bis er sich daran gewöhnte. Später, als wir nicht mehr in der gleichen Band spielten, wurde unsere Beziehung herzlicher.
    Der unterschwellige, manchmal auch offen zur Schau gestellte Druck zwang mich, zu reagieren, mich zu wehren, erwachsener zu werden. Hin und wieder tat ich dabei erwachsener, als ich war. Manchmal leistete ich aber auch mehr, als meine Mitmusiker zugeben wollten. So sang ich neben meinen Solostücken Vokalisen – das sind Melodien ohne Text –, und zwar unisono, das heißt einstimmig mit den Instrumenten, die gleiche Melodie wie beispielsweise die Querflöte. Da war sauberes Singen absolut notwendig, weil sich sonst die beabsichtigte Wirkung nicht einstellt. Und wenn es schräg klingt, geben alle sofort gern der Sängerin die Schuld.
    Mit diesen Vokalisen wagte ich mich auf ein Feld, das auch für einen absoluten Profi einige Fallstricke bereithalten kann. Obwohl ich inzwischen bereits im dritten Studienjahr war, hieß das noch lange nicht, dass ich in allem eine Expertin war. Die Stimmgebung war noch unsicher. Die Unterschiede des musikalischen Verständnisses – zwischen dem, was an der Hochschule gefragt war, und dem, was ich auf der Bühne bringen sollte – waren groß. Nur langsam begann ich mehr davon zu verstehen. In der Hochschule bemühte sich nun Herbert Schulz, mein neuer Gesangsdozent ab dem dritten Jahr, mit mir weiterhin um die sogenannte Mischstimme. In der Klassik wird eine Stimme von der Kopf- über die Mittel- in die Bruststimme geführt. Einfach gesagt von

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