Das Lügenlied vom Glück: Erinnerungen (German Edition)
Stern-Combo Meißen hatte in Dresden und im ganzen sächsischen Umland einen guten Ruf. Eine moderne Band, die Musik für meine Generation machte. Unter dem Namen Stern Meißen, den sie von 1980 an trug, kam sie später auch republikweit zu einigem Ansehen. Ich sagte zu und kehrte gemeinsam mit Manfred der Herfter-Combo den Rücken.
Es machte Spaß, mit diesen experimentierfreudigen und ehrgeizigen Männern zu musizieren. Anders als bei Herfter, wo Fred das Sagen hatte, waren hier die Bandmitglieder gleichberechtigt, und ich fühlte mich von Anfang an integriert. Alles dort passierte aus jugendlicher Leichtigkeit und Spielfreude heraus. Wir wag ten uns ohne Versagensängste an die schwierigsten Vorgaben her an – was letztlich die beste Voraussetzung dafür ist, sich weiterzuentwickeln.
Als Leadsängerin bekam ich 90 DDR-Mark pro Auftritt, bei Herfter war es mehr als das Doppelte gewesen. Aber damit hatte ich kein Problem, schließlich war hier der Spaß doppelt groß. Außerdem machte ich mir damals keine Gedanken darüber, was die Combo verdiente und ob dieser Betrag angemessen war oder nicht. Als später Gerüchte über das undurchsichtige Finanzgebaren innerhalb der erfolgreichen Formation aufkamen, war ich schon lange nicht mehr dabei. Denn nach gut einem Jahr zeichnete sich ab, dass die Band und ich in unterschiedliche Richtungen strebten.
Ich selbst merkte das nicht sofort. Ich fühlte mich wohl bei den Sternen und wäre vermutlich auch geblieben, hätte mir Manfred nicht einen Schubs gegeben. Manne kam eines Tages auf mich zu in einem Augenblick, in dem er mich allein erwischte. Er sah mich eindringlich an und sagte: »Panta Rhei will dich haben, da gehst du hin, die sind besser als wir!« Er sagte das sehr bestimmt. Panta Rhei – Herbert Dreilich, Henning Protzmann, Ulrich (Ed) Swillms hatten die Band 1971 gegründet –, das war ein großer Name in diesem überschaubaren Land. Ich war damals noch recht unsicher in meinen Entscheidungen und wusste im ersten Moment nicht, was ich sagen sollte. Da ich mich wohlfühlte bei den Sternen, wäre ich – wie gesagt – wohl geblieben. Aber Manfred hatte geklungen, als sei jede Widerrede zwecklos. Das war seine Art. Am Ende gab den Ausschlag, dass ich ja wirklich den Schritt zur Berufsmusikerin vollziehen wollte. Die Sterne waren dafür noch nicht weit genug. Und so war es wieder Manfred, der mich – zum zweiten Mal – auf den Weg brachte.
László
Im Frühherbst 1970 hatte ich László wiedergetroffen, jenen jungen Ungarn, dem ich ein gutes halbes Jahr vorher bei einem Auftritt zum ersten Mal begegnet war.
In dieser Zeit gab es ein Abkommen zwischen der DDR und Ungarn über einen zweijährigen Austausch von Jugendlichen. Da László neben dem Abitur eine Berufsausbildung als Elektriker gemacht hatte und einen Grund suchte, seinem Vater zu entfliehen, nahm er eine Stelle in Dresden an. Das war eine Zeit lang üblich in den sozialistischen Ländern – meine Schwester Sabine zum Beispiel machte neben ihrem Abitur eine Berufsausbildung als Kellnerin, arbeitete aber später nie in dem erlernten Beruf. Dieses Ausbildungsprinzip setzte sich nicht wirklich durch.
Laci (so sein Name unter Freunden) war ein guter Stürmer und trainierte eine Weile bei »Ferencváros« in Budapest, dem erfolgreichsten ungarischen Fußballklub. Sein Traum war es, Berufsfußballer zu werden.
Als wir uns das erste Mal begegnet waren, wohnte er erst kurze Zeit in Dresden. Livekonzerte waren für ihn und seine Clique nicht nur wegen der Musik interessant, sondern vor allem, um deutsche Mädchen kennenzulernen. László fiel auf zwischen all den anderen Jungs. Er sah gut aus, entsprach meinem Geschmack, war groß, schlank und sportlich mit dunkelblondem Hippie-Lockenkopf. Wir waren im gleichen Alter, Jahrgang 1951. Das Flirten lag ihm im Blut. Überhaupt zeigten sich diese ungarischen Jugendlichen als versierte, erfolgsverwöhnte Charmeure, und es dauerte nie lang, bis sie alle in weiblicher Begleitung waren. Darin unterschieden sie sich von den deutschen Jungs, die schüchterner waren, dröger, weniger bemüht. Die Ungarn gaben sich laut und auffällig – ich fand das erst übertrieben, zumindest ungewohnt, aber sie brauchten das, es entsprach ihrer Mentalität.
Unsere zweite Begegnung fand in einem sächsischen Kulturhaus statt, in dem die Sterne auftraten – es könnte in Meißen gewesen sein. Es war einer jener typischen Tanzabende in einem großen Saal, in dem alle möglichen
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