Das Lügenlied vom Glück: Erinnerungen (German Edition)
für das Stück bezahlt wurde, brachte die Autorin, Kathrin Brigl, einige dieser Lieder mit einem anderen Sänger »nach Hollywood«, so sagte sie mir.
Es blieb offenbar bei einem Geheimtipp. Schade.
Nach diesem Ausflug in die Welt des Musicals widmete ich mich wieder meinem »Kerngeschäft«. Die nächste CD mit dem Titel Mehr in Sicht stand an. Es sollte die letzte bei Polydor sein.
Einige Zeit zuvor war mein A&R Dieter Hägermann unter mysteriösen Umständen im Urlaub verstorben. Er war in der Firma immer sehr für mich eingetreten. Und nun informierte mich Götz Kiso, dass er demnächst die Geschäftsführung der Plattenfirma abgeben würde. Die Verträge würden von der neuen Geschäftsführung auf den Prüfstand gestellt, manche von ihnen aufgehoben. Mit anderen Worten, 1997 war das Ende der Zusammenarbeit mit Polydor in Sicht.
Meine Liveauftritte liefen gut, deshalb machte ich mir keine Sorgen, irgendwie würde es weitergehen. In mein Privatleben war nach der Scheidung auch allmählich wieder mehr Ruhe eingekehrt.
In jener Zeit hatte ich einen erwähnenswerten Auftritt in Dresden, in einer riesigen Fabrikhalle. Wir waren als einer von mehreren Acts vorgesehen. Ein Journalist hatte mich im Vorfeld dazu befragt: Ob ich denn mit Dieter Bohlen überhaupt auf eine Bühne passen würde? Ich hatte noch geantwortet: »Er macht seinen Teil, ich mach meinen. Wir kommen schon klar.«
Jetzt stand ich also in dieser gewaltigen Halle, in der ein großer Bereich für VIPs reserviert war. Sie mussten durch den normalen Publikumsbereich durch, die Präsentation der Bekanntheiten war so gesichert. Wir sollten als Erste spielen und selbstverständlich live, machten also zunächst unseren Soundcheck. Dann traten die Techniker von Blue System, damals Bohlens Gruppe, auf den Plan. Keine Musiker, nein, Techniker machten den Soundcheck, die Musik kam ja auch vom Band. Bohlen selbst war ich bis dahin nur kurz in der Hotelhalle begegnet, er hatte mich völlig ignoriert, ich war Luft für ihn gewesen. Vielleicht hatte man ihm zugetragen, dass ich ihn seinerzeit als Produzenten für mich absolut unangemessen fand. Vielleicht hat er mich aber einfach nur nicht erkannt.
Kurz vor dem Konzert kam meine Managerin Renate Waschek aufgeregt auf mich zu: »Vroni, da drin ist die komplette Halbwelt versammelt«, flüsterte sie, »das hab ich bei den Verhandlungen gar nicht gemerkt, voll die Russenmafia oder so…« Sie presste die Handtasche an ihren zierlichen Körper, die ganze Gage in bar war da drin. Ob Mafia oder nicht, wir mussten gleich raus und wollten einen guten Auftritt hinlegen.
Schon als meine Band die ersten Töne anschlug, merkte ich, dass etwas nicht stimmte. Beim Soundcheck hatte alles ganz anders geklungen. Nun wirkte es mickrig, gedämpft, die Techniker hoben ratlos die Arme. Da hatte offenbar jemand nachgeholfen: Man kann die PA nämlich so manipulieren, dass die Kraft gekappt ist, eine gängige Praxis gegenüber »Vorgruppen«. Zu lauem Beifall verabschiedete ich mich so: »Vielen Dank fürs Zuhören, aber wir bevorzugen das Handwerk, und unser Tun ist live.« Ich war stocksauer.
Dann kam der große Star, die Musikkonserve ging ab, auf die Bühne sprang eine Riesentruppe inklusive Tänzern und Backgroundsängerinnen. Ein gewaltiger Bummsklang dröhnte durch die Halle, alles auf Knopfdruck. So also erzeugt man künstlich Erfolg. Live zu singen und zu spielen, hatte ich den Eindruck, war dieser Truppe wohl nicht möglich, obwohl sie alle technischen Voraussetzungen dazu gehabt hätten. Alles, was D.B., wie Bohlen in der Szene genannt wurde, tun musste, war, Show zu machen – und das auf einer Live-Bühne.
Wir schauten uns an, in unseren Gesichtern stand unausgesprochen die Frage: Warum geben wir uns eigentlich solche Mühe? Aber die Antwort darauf kannten wir alle: Weil wir es lieben, Musik zu machen!
Das neue Jahrtausend
1998 endete meine Zusammenarbeit mit Polydor. Wir machten uns wieder daran, neues Material für eine Produktion zu sichten. Aber Gerulf konnte nicht mehr mitwirken. Er starb am 3. Mai 1998 an Krebs. In seinem letzten Lied »Da ist noch ein Traum«, das er für mich schrieb, waren die Hinweise überdeutlich, dass er wohl fortmüsse: Hinter mir weh’n schwarze Fahnen, hab noch nicht Zeit für verweilende Ruh…
Wie schnell man aus dem Leben gerissen werden kann. Gerulf war gerade mal fünfzig. Ich mochte ihn sehr, als Lyriker wie als Mensch. Zwei Wochen vor seinem Tod hatte ich ihn noch einmal
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