Das Lügenlied vom Glück: Erinnerungen (German Edition)
dass alle laut auflachten. War es meine Aussprache oder war es mein Spiel? Ich hatte keine Ahnung. Man war trotzdem zufrieden mit mir, und irgendwie packten wir es. Bei den Gesangsparts mit Tanz war ich wieder in meinem Element.
Der Film lief beim Festival in Cannes und wurde sehr gut angenommen, auch für mich gab es schöne Rückmeldungen. Leider sah ich den Film nie in voller Länge, und weitere Rollenangebote konnte ich aus politischen Gründen nicht annehmen. Das westliche Ausland war tabu.
Ich erlebte in den folgenden Jahren noch diverse Tourneen in Polen und weitere Produktionen für das polnische Fernsehen. Irgendwie traf ich dort einen Nerv und hatte nicht darunter zu leiden, dass den Polen der Angriffskrieg Hitlers, der gerade mal dreißig Jahre vorüber war, noch in den Knochen steckte. Ich wurde in Polen nie anders behandelt als die Bundesdeutschen, die sonst bevorzugt wurden mit ihrer »Westmark« in der Tasche.
Im ganzen sozialistischen Raum galt der Westmensch als der Bessere.
Später, in den Achtzigern, als ich selbst im Westteil des Landes lebte, versuchte ich noch einmal, im Schauspiel Fuß zu fassen. Witold, mein damaliger Regisseur, hatte immer gesagt: »Du bist eine Schauspielerin, keine Sängerin.« Deshalb hatte ich Mut. Ich schnitt mit einem Profi eine Art Werbespot zusammen, um mich damit präsentieren zu können. Aber dieser Mensch fragte mich glatt: »Warum wollen Sie eigentlich ins Filmgeschäft? Jeder wird sagen: Die singt gut, warum soll sie denn spielen?« Es gebe genug gute Schauspieler, man brauche keine Quereinsteigerin wie mich. Da war ich erst mal platt. Deutsches Schubladendenken! Schauspieler mögen zwar manchmal singen, auch wenn sie das nicht unbedingt sollten (es gibt Ausnahmen), aber dass Sänger spielen, das ist vollkommen verzichtbar. Ich habe später zwar einmal in Treffpunkt Leipzig mitgespielt, aber dabei beließ ich es auch. Außer der Rolle als »Sängerin« wurde mir ohnehin nichts mehr angeboten bei Film und Fernsehen.
Dann doch lieber Musik machen!
TEIL II
MEHR LEBEN
Guten Tag, den Anker der Nacht holet ein und zu neuen Fahrten. 4
Kurt Demmler
4 »Guten Tag« (Auszug), Text von Kurt Demmler, Musik von Franz Bartzsch
M usikmachen war und blieb meine Passion – es gab keine Atempause und ging weiter bergauf. Wir gewannen weitere Preise, neue Fans. Die Auszeichnung, die mir am meisten bedeutete von all den guten, die ich bekam, erhielt ich schon im Herbst 1976. Zum ersten Mal war in diesem Jahr eine Unterhaltungskünstlerin mit dem Ehrenpreis der vier Musikhochschulen der DDR ausgezeichnet worden. Das Fernsehen war dabei: »Während der 35. RUND-Sendung, die aus Heidenau bei Dresden übertragen wurde, erhielt Veronika Fischer aus den Händen des Rektors der Musikhochschule Dresden, Prof. Köhler, die ›Carl-Maria-von-Weber-Plakette‹. Damit wurde erstmals eine Absolventin der Tanzmusikklasse mit dieser höchsten Auszeichnung der Hochschule geehrt.« (Zeitungsausriss)
Durch die vielen Erfolge gerieten wir leider stark in den Fokus der Politik und hatten unsere Auseinandersetzungen mit Behörden. Wir wollten unsere Musik nicht nur von Suhl nach Rostock tragen, nicht nur auf Tourneen durch sozialistische Bruderstaaten präsentieren; natürlich zog es uns auch ins westliche (kapitalistische) Ausland. Künstler brauchen Raum, um existieren zu können. Wir verstanden uns nicht als politische Botschafter, eher als künstlerische Entdecker. Mittlerweile weiß ich, wie naiv unser Denken und unsere Wünsche damals gewesen sind. Denn natürlich wurden wir sowohl von der DDR als auch vom Ausland als Botschafter eines bestimmten Systems wahrgenommen, ob wir das wollten oder nicht. Ich als Frontfrau vorneweg. Der Kalte Krieg verlangte es. Wir waren Eigentum der DDR und ein Politikum, das von jeder Seite benutzt wurde – aber das verstand ich erst später.
Für uns führte die einzige Möglichkeit, die Tür zum kapitalistischen Ausland zu öffnen, über Zugeständnisse. »Eine Hand wäscht die andere«, lautete die Formel für den politischen Kompromiss. Ein solches Zugeständnis war es damals zum Beispiel, die Bauarbeiter »an der Trasse« zu erfreuen. In den Siebzigern wurde eine gewaltige Erdgasleitung ausgebaut, die von Krementschuk am Dnepr bis nach Bar in der Westukraine führte. Die FDJ, die Jugendorganisation der DDR, hatte dem Rat für gegenseitige Wirtschaftshilfe (RGW) der sozialistischen Länder zugesagt, beim Bau dieser Trasse mitzuwirken. Bulgarien,
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