Das Lügenlied vom Glück: Erinnerungen (German Edition)
Glas Wein und besprachen, was an unseren Auftritten verbesserungswürdig wäre. Ich weiß nicht, wie es geschah, ich lehnte am offenen Fenster und stieß mit einer unbeabsichtigten Bewegung die Flasche mit dem Spülmittel aus dem wie vielten Stockwerk? Hoch oben war es auf alle Fälle…
Die Flasche flog im hohen Bogen in den Springbrunnen vor dem Hotel. Wir erschraken nur kurz – aber auch mit einer gewissen Vorfreude…
Am nächsten Morgen herrschte helle Aufregung im Hotel, der Springbrunnen war über und über mit Schaum bedeckt. Es war die neue Attraktion im Moskwa, hervorgerufen durch eine Flasche DDR-Spülmittel!
Musiker sind von Natur aus verspielt, das bringt das Musizieren mit sich. Außerdem waren wir jung.
Im Juli habe ich Geburtstag, wie alle Lebewesen auf diesem Planeten einmal im Jahr Geburtstag haben. An diesem Tag flippten wir 1977 in Bulgarien total aus. Ich weiß nicht, was uns ritt, aber wir robbten alle auf den Knien durch die Hotellobby. Die Hotelleitung konnte uns nicht bremsen, es gab eine Missstimmung, sie bestellten die Polizei. Der Polizei erklärte ich, um keine längeren Diskussionen zu haben (in welcher Sprache, weiß ich nicht mehr), dass dies in Deutschland Geburtstagssitte und so üblich sei!
Es war ein schöner Tag. Sicher spielte Bruder Alkohol auch seine Rolle.
So albern wir manchmal waren, gute Konzerte machten wir trotzdem. Das gehört dazu.
Bevor wir auf die nächste Tournee gingen, stand mein Debüt als Schauspielerin an. Der polnische Regisseur Witold Orzechowski hatte mir ja eine Hauptrolle in dem Streifen Echter Charme angeboten. In diesem Musikfilm sollte ich Lieder von Marlene Dietrich singen, Stücke wie »Ich bin von Kopf bis Fuß auf Liebe eingestellt« oder »Ich bin die fesche Lola«. Tanzen sollte ich auch – und auf Polnisch einige Dialoge bewältigen.
Wie für meine Konzertansagen im Ausland ließ ich die Textpassagen übersetzen und lernte sie dann auswendig. Zwei Wochen vor Drehbeginn fuhr ich nach Warschau und studierte mit dem Ballett die Choreografie ein. Das war nicht einfach, aber dank der Grundkenntnisse aus Studienzeiten ging es einigermaßen. Am schwierigsten fand ich, den Raum einzunehmen: Auf einer riesigen, breiten Treppe sollte ich tanzen und gleichzeitig singen, wenn auch nur Playback. Die Songs waren in Berliner Studios bereits vorproduziert worden. Alles musste leicht aussehen, was es nicht war.
Das polnische Team mochte mich, das spürte ich in allem, was mir begegnete. Auch Witold zeigte mir das. Ich glaube, Regisseure müssen ihre Hauptdarsteller sowieso besonders mögen – darüber schweigt des Sängers Höflichkeit.
Die Drehtage begannen morgens recht früh mit der Maske. Die Maskenbildnerinnen ließen sich Zeit und klärten mich über Vor- und Nachteile meines Äußeren auf. Mein Gesicht sollte blass geschminkt werden, weil es so die typische Anmutung der Dreißigerjahre bekäme. Mein eher breites Gesicht sei für die Bühne vorteilhaft, denn es lasse Ausdrucksstärke zu. Na, immerhin! Sie zeigten mir Farbschattierungen und einige Tricks, wie ich meine Wirkung auf der Bühne steigern konnte. Ich nahm diese Hilfen gern an.
»Verführung im Heu« – Veronika Fischer und Josef Laufer im Film Echter Charme, Regie: Witold Orzechowski, 1977 oder 1978
Ich bekam eine andere Frisur und eine der Zeit entsprechende Garderobe. Das eine Outfit war eine Reiterhose mit Jackett und Pferdestöckchen, das andere bestand aus Netzstrümpfen, Hotpants, Jackett und Zylinder. In Ersterem hatte ich mit Herrn Laufer eine Liebesszene zu spielen. Er als Stallbursche, ich der Vamp mit Reiterhose, der den Stallburschen verführt. Ich war total unerfahren darin, mich vor einer Kamera als Femme fatale zu produzieren, ich war aufgeregt. Ich sollte meinen Kollegen nach einigem Vorgeplänkel ins Heu ziehen, um dort mit ihm zu knutschen.
Um uns herum gefühlt hundert Leute, ebenso viele Scheinwerfer und Kameras. Ich fasste ihn also am Kragen, wir fielen ins Heu und küssten uns – irgendwas hatte ich auch zu sagen, was, weiß ich heute nicht mehr – und standen wieder auf und fielen wieder… Klappe, noch mal von vorn! Ich weiß nicht, wie oft wir das machten, bis die Szene endlich im Kasten war. Zum Glück war Josef ein erfahrener Schauspieler, der mir half und mich beruhigte.
Veronika Fischer und Witold Orzechowski bei den Dreharbeiten zu Echter Charme, 1977 oder 1978
Bei anderen Sequenzen, in denen ich polnisch sprechen musste, konnte es passieren,
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