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Das Lustschiff

Das Lustschiff

Titel: Das Lustschiff Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Kerstin Dirks
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die Passagiere durch Zuhilfenahme von Pfeilen zum Deck Zero lotste. Etwas Derartiges hatte sie noch auf keiner ihrer Reisen gesehen. Neugierig folgte sie diesen Pfeilen.
    Und kaum hatte sie den Lift auf Deck Zero verlassen, stieg ihr ein merkwürdiger Duft in die Nase. Süß. Lockend. Verführerisch. Eine Spur zu lieblich für ihren Geschmack. War hier unten ein verborgener Wellnessbereich? Das Licht war gedimmt, die Wände rot angestrichen oder mit Samtvorhängen dekoriert. Carolin trat durch einen Vorhang klimpernder Perlen und gelangte in einen Raum, der mit roten Sofas und einer Vielzahl Kissen ausgestattet war. Sie konnte sich keinen Reim auf all das machen. Es handelte sich um eine völlig untypische Bordeinrichtung. Der Raum war leer, im Hintergrund lief Musik. Niemand war zu sehen. Sie war allein. Das alles wirkte surreal. Sah das gesamte Deck so aus?
    »Na, überrascht?«, hauchte jemand ihr ins Ohr. Carolin erschrak derart, dass sie fast das Gleichgewicht verlor. Sie drehte sich wütend um und erkannte Wagenstein. Wo kam der denn so plötzlich her?
    »Sind Sie mir etwa heimlich gefolgt?«
    »Ja, das trifft es wohl. Als ich Sie zufällig in den Lift steigen sah, dachte ich mir schon, dass unser Deck Zero Sie neugierig gemacht hat. Und ich wollte unbedingt Ihre Reaktion miterleben. Ja, man könnte sagen, ich bin Ihnen gefolgt.«
    »Was ist das hier für ein Bereich?« Bei der Frage fühlte sie sich plötzlich doch wie ein Grünschnabel. Das war ihr äußerst peinlich.
    »Ist das nicht offensichtlich?« Leonard schlenderte lässig an ihr vorbei und setzte sich in einen der Samtsessel, machte es sich dort gemütlich.
    Die Musik, der Duft, die Farben. All das hatte eine Note von Verruchtheit. Wäre sie an Land, sie würde glauben, sie befände sich in einem Swingerklub. Oder einem artverwandten Etablissement. Aber dies hier war ein Kreuzfahrtschiff. Ein Luxusliner der gehobenen Klasse von der Reederei Sea Tours .
    Ein männliches Stöhnen drang aus einem der hinteren Räume. Es war nicht besonders laut, übertönte die Musik jedoch trotzdem. Womöglich weil dieses Stöhnen in eine Art Vibrieren überging, das Carolin fast schon körperlich spürte. Du meine Güte, sie waren ja doch nicht allein hier unten! Auch Leonard drehte sich überrascht in die Richtung, aus der er das Stöhnen vernommen hatte. Dann jedoch grinste er sie wieder an. »Scheint so, als wären wir nicht die Ersten.«
    »Die Ersten?«
    »Hier unten, auf dem Liebesdeck.« Er lachte leise.
    Das Stöhnen wurde lauter und war jetzt eindeutig zu hören. Es war nicht nur ein männliches Stöhnen. In dieses mischte sich auch das Stöhnen einer Frau.
    Die Sachlage wurde immer offensichtlicher. Dennoch nahm Carolins Verwirrung zu. Und ihr Unbehagen ebenfalls. Was wurde hier gespielt?
    »Ein Liebesdeck? Was soll das sein?«
    »Überlegen Sie mal, vielleicht kommen Sie ja von alleine drauf?«
    Leonard erhob sich, offenbar in der Absicht, nach dem Rechten zu sehen. Aber das konnte er doch nicht einfach tun! Seelenruhig ging er zu der halb offenen Tür am anderen Ende des Raumes, aus dem nach wie vor weibliche und männliche Lustlaute erklangen, gleich einer verruchten Melodie, die sich mit jedem Takt steigerte. Schweiß perlte über Carolins Stirn, während sie allmählich die Situation in ihrer Gänze erfasste. Ein Liebesdeck, wildes Stöhnen, Leidenschaft. Ein Sicherheitsbeauftragter, der ihr direkt unterstand und sich gerade auf den Weg zum Quell des Stöhnens machte, diese Leute, die sich gerade miteinander vergnügten, unangenehm überraschen würde. Ihr war klar, die Sache konnte schnell peinlich werden. Vor allem für sie, da sie Leonards Vorgesetzte war. Sie musste handeln. Ihn aufhalten. Bevor er nicht nur seinen eigenen Ruf zunichtemachte. Rasch holte sie ihn ein und packte ihn am Arm, bevor er durch die Tür gehen und Unheil anrichten konnte.
    »Hören Sie schon auf damit, das geht uns doch nichts an!«
    »Sie haben natürlich völlig recht, Frau Winter.« Sie atmete auf. Wenigstens machte er die Sache nicht komplizierter, als sie war. »Aber da wir schon hier sind … ich finde es urgemütlich. Sie nicht auch?« Er deutete zu einer Couch an der Wand, machte eine einladende Handbewegung.
    Ihr blieb die Spucke weg. Meinte er das ernst? Sein dümmliches Grinsen verriet genau das. Was bildete dieser Kerl sich ein? Glaubte er wirklich, sie war so leicht rumzukriegen? Nur weil sie sich auf einem »Liebesdeck« befanden? Zugegeben, er sah nicht

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