Das Lustschiff
mustern.
»Ach, du meine Güte«, entwich es ihr.
»Was ist denn los?«, fragte Andrea erschöpft. Das Rumoren in ihrem Magen wurde schlimmer. Hatte sie etwas Falsches gegessen?
»Das sieht gar nicht gut aus.«
»Wovon sprichst du denn bloß?« Jetzt setzten auch noch Bauchschmerzen ein.
»Du bist ja ganz grün im Gesicht!«
»Was?« Andrea richtete sich erschrocken auf. Für einen Moment war die Übelkeit vergessen. Sie wankte zum Schrank und starrte in den Spiegel. Mein Gott! Lena hatte recht. Ihre Haut wirkte fahl und auch ein wenig grünlich!
»Du bist seekrank!«
»Nein!«
»Doch, es sieht wirklich danach aus. Glaub mir, ich habe auf meinen Reisen schon viele Seekranke gesehen.«
»Ich und seekrank? Alles, nur das nicht!« Andrea ließ sich auf den Boden der Kabine sinken, und das Druckgefühl im Bauch, das ihr die Luft abdrückte, kehrte unversehens zurück. Das durfte doch nicht wahr sein! Das war das Schlimmste, was passieren konnte. Schließlich würden sie mehrere Tage auf See sein! Sollte sie da etwa die ganze Zeit krank sein? Was für eine grauenhafte Vorstellung! Was für ein schrecklicher Urlaub! »O Gott, ich werde die ganze Reise im Liegen verbringen müssen. Klasse!«
Lena griff ihr unter die Arme und zog sie auf die Füße. »Lass dich jetzt nicht gehen! Du wirst den Urlaub genießen, denk an dein Versprechen!«
»Was soll ich denn tun? Ich kann doch nichts dafür, dass …« Eine Welle von Übelkeit ließ sie würgen. Andrea fürchtete, sich zu übergeben.
»Rum hilft!« Lena half ihr zum Bett und holte irgendwoher einen kleinen Flachmann hervor, den sie offenbar mit an Bord geschmuggelt hatte.
Die Übelkeit verklang, zumindest für den Moment.
»Ist da wirklich Rum drin?«, fragte Andrea misstrauisch. Lena trank sonst lieber Cognac oder Whisky. Rum hatte sie jedenfalls noch nie in der kleinen Bar im Loft ihrer Freundin gesehen.
»Na klar, was denn sonst? Auf See trinkt man Rum. Das ist schon seit Jahrhunderten Tradition.« Sie hielt ihrer Freundin den Flachmann an die Lippen. Schlimmer konnte es eigentlich gar nicht werden, also nahm Andrea einen Schluck. Doch es wurde schlimmer! Sie sprang auf, eilte zur Toilette und kam kurz darauf zurück, immer noch wackelig auf den Beinen, wenn nicht sogar wackeliger als zuvor.
»Ach, du liebes bisschen, jetzt siehst du sogar noch grüner aus als vorhin«, meinte Lena besorgt. »Ich bringe dich besser zum Schiffsarzt, bevor du mir noch umkippst.«
Andrea sah ein, dass dies wohl die beste Lösung war, und ließ sich bereitwillig von Lena zur Krankenstation bringen. Dort saßen bereits ein paar Leidensgenossen. Man hätte denken können, an Bord wäre eine Epidemie ausgebrochen, wenn man all die fahlgrünen Gesichter näher betrachtete.
»Keine Sorge, Dr. Meinhardt ist gleich bei Ihnen«, versicherte ihnen eine Arzthelferin und half ihr, sich auf eine Liege zu legen. Dann zog sie den Vorhang zu, der das Krankenbett vom Rest des Raumes trennte.
»Weißt du, was das bedeutet?«, fragte Andrea missmutig.
»Nein, was?«
»Dass ich noch schlimmer aussehe als die traurigen Gestalten draußen im Wartebereich, sonst hätte mich die Schwester nicht hier hinverfrachtet. Die anderen können zumindest noch selber sitzen.«
Andrea sah Lena an, dass diese sich ein Schmunzeln verkneifen musste. Lustig mochte es für Außenstehende wirken, für Andrea war es ein Albtraum.
Kaum ein paar Sekunden später wurde der Vorhang zurückgezogen, und der attraktivste Mann trat ein, den Andrea je zu Gesicht bekommen hatte. Sein Erscheinen kam einer Offenbarung gleich. Ihr Herz schlug doppelt so schnell, und der Mund blieb ihr bei diesem unerwarteten Anblick offen stehen.
Der Arzt bemerkte das zum Glück nicht. Er lächelte sie charmant, aber auch mitfühlend an. »Ich habe schon gehört, Sie sind nicht ganz seetauglich«, sagte er und setzte sich an ihre Liege, fühlte ihren Puls. Allein die Berührung ihres Handgelenks zauberte ihr eine Gänsehaut auf den ganzen Körper.
»Ich hoffe, Sie können ihr helfen«, warf Lena ein, die in ihrem Bikini sehr sexy aussah und sich nun auch noch absichtlich in Pose warf. »Sie können mir glauben, das war ein riesiger Schreck, als Andrea plötzlich grün im Gesicht wurde.«
»Das kann ich mir vorstellen. Wann wurde Ihrer Freundin denn übel?«
»Gerade eben erst, dabei sind wir doch schon mehr als eine Stunde unterwegs.«
»Manchmal tritt die Seekrankheit auch verzögert auf.«
»Ich verstehe. Wie gut, dass Sie da sind,
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