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Das Luxemburg-Komplott

Das Luxemburg-Komplott

Titel: Das Luxemburg-Komplott Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Christian von Ditfurth
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glaubt, dass wir die Rote Armee verstärken sollten, um im schlimmsten Fall durch Polen hindurch der Revolution zu Hilfe zu eilen.«
    »Und wenn es dadurch einen neuen Weltkrieg gibt oder die Fortsetzung des alten?«
    Bronski schüttelte den Kopf. »Die Arbeiterklasse in Westeuropa wird das nicht zulassen. Die Internationale hat die Losung ausgegeben: ›Solidarität mit der deutschen Revolution!‹ In Ungarn hat sich die Arbeiterklasse eine Räterepublik geschaffen. Sie steht unter der Leitung unseres Genossen Béla Kun. Die Macht und Autorität der Internationale wächst von Tag zu Tag, ja von Stunde zu Stunde. Bald stellen sich alle Arbeiter der kapitalistischen Welt unter ihr Kommando.«
    »Wir hoffen es.«
    »Ich zweifle nicht daran«, sagte Bronski. »Aber nun zu einer anderen Frage. Der Genosse Lenin sagt, wenn die deutschen Kommunisten es nicht schaffen, eine zentrale Leitung im Reich durchzusetzen, geht die Revolution unter. Dann wird die Reaktion eine sozialistische Insel nach der anderen ausbrennen. Die Hauptgefahr im Augenblick ist nicht eine ausländische Inter vention und sind auch nicht die Freikorps. Die Hauptgefahr ist die Genossin Luxemburg, weil sie verhindert, dass notwendige Entscheidungen getroffen werden.«
    Es klopfte an der Tür. Zacharias stand auf und ging hin, während Bronski böse auf die Tischplatte starrte. Vor der Tür stand Margarete. Sie schaute ihn unsicher an. »Ich war gestern schon mal hier, aber du warst nicht da«, sagte sie, aber es war kein Vorwurf.
    »Ich habe Besuch, warte doch bitte in meinem Zimmer«, erwiderte er.
    Sie schaute ihn fragend an, aber dann ging sie zum Zimmer. Zacharias schaute ihr nach, wie er es früher gerne getan hatte. Sie wiegte noch immer leicht die Hüfte.
    Bronski schaute noch böse, als Zacharias zurückkehrte. »Wer ist das?« fragte er.
    Zacharias spürte, wie der Zorn in ihm wuchs, aber er beherrschte sich. »Privat«, sagte er scharf.
    »Ich will es unmissverständlich sagen. Wenn die Genossin Luxemburg von einem Konterrevolutionär ermordet würde, dann würde sie der Revolution ihren größten Dienst erweisen.« Er sagte es ruhig, und dann blickte er Zacharias in die Augen.
    Lange Momente herrschte Schweigen.
    Zacharias versuchte die Idee abzuwehren, die sich aufdrängte. War es ein Mordauftrag? Er brauchte eine Weile, um zu begreifen, was Bronski gemeint haben mochte. Ihm wurde kalt und heiß zugleich.
    »Ist das ein Auftrag?« fragte er mit belegter Stimme.
    »Ich habe einen Umstand beschrieben, eine Situation, die in diesen Zeiten jederzeit eintreten kann. Und welche Folgen sich daraus ergäben. Das ist zunächst hypothetisch, aber wenn man eins und eins zusammenzählt, kommt man nur auf diese Lösung …«
    »Lösung? Das ist Mord!«
    Bronski lachte und schüttelte den Kopf. So viel Unverständnis bei einem bewährten Tschekisten, es war nicht zu glauben. Kaum ein paar Wochen in Deutschland und schon verdorben. »Diesen bürgerlichen Moralismus können wir uns nicht leisten, Genosse Zacharias. Sie schon gar nicht, denken Sie an Ihren Auftrag. Glauben Sie, die Genossen Lenin und Dserschinski machen sich das leicht? Glauben Sie, diese Genossen würden die Genossin Luxemburg nicht schätzen? Und sie nicht aufrichtig betrauern, wenn ihr etwas zustieße? Denken Sie an die Empörung der deutschen Arbeiterklasse. Sie würde sich noch fester um unsere Partei zusammenschließen.«
    »Unsere Partei ist eine Sekte«, sagte Zacharias. »Und ohne Luxemburg wäre sie nur halb so viel wert. Wollen Sie Liebknecht auch umbringen?«
    Bronski schüttelte wieder den Kopf. Dabei zischte er leise, um sein Erstaunen zu zeigen. »Wie kommen Sie denn darauf? Der Genosse Liebknecht verkörpert diese Revolution wie kein anderer. Gewiss reicht er nicht heran an den Genossen Lenin, aber für die Arbeiter ist er ein Idol. Und vor allem, er begreift, was zu tun ist: dass wir mit eiserner Hand alle Abweichler vernichten müssen.«
    Als Bronski gegangen war, saß Zacharias noch eine Weile am Tisch. Der Wandkalender zeigte den 27. März. Er mühte sich zu begreifen, was geschehen war. Das konnte Moskau nicht wollen. Bronski drehte durch, er war ein Verrückter, der die Aufregung der Revolution nicht vertrug. Lenin konnte doch nicht glauben, man käme voran, wenn man die bedeutendste Revolutionärin Deutschlands tötete. Wir brauchen keine Märtyrer, sondern Führer, die uns zeigen, wie wir erreichen, was wir wollen. Als er in Moskau lebte, hatte Zacharias oft gehört,

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