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Das Luzifer Evangelium

Das Luzifer Evangelium

Titel: Das Luzifer Evangelium Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Tom Egeland
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mich versteckte. Meine Freundin Kristin, der die Hütte gehörte. Und Kriminalkommissar Henrichsen.
    Er meldete sich am Sonntagnachmittag Punkt sechzehn Uhr.
    Ich saß auf der Bank vor der Hütte. Im Tal, auf der anderen Seite des Flusses, reflektierte die Sonne in der Scheibe eines Autos. Irgendwo blökten ein paar Schafe. Ein Rauschen ging durch den Blätterwald. Ich atmete den Blütenduft der Traubenkirsche ein, in der es von Insekten nur so surrte.
    Vor meiner Flucht aus Oslo hatten wir vereinbart, zweimal täglich zu telefonieren. Zu diesem Zweck hatte ich ein sicheres Mobiltelefon von der Polizei bekommen. Meins wurde immer noch ständig von Unbekannt angerufen, sagte Henrichsen. Er erklärte mir, dass per Ferninstallation ein Tracker auf mein Handy geschickt worden war, das seitdem regelmäßig Signale an einen Satelliten sendete.
    Henrichsen stieß einen lautlosen Seufzer der Erleichterung aus, als ich antwortete.
    »Alles, wie es sein soll?«
    »Ruhig und friedlich.«
    »Keine verdächtigen Wanderer?«
    »Ich habe bisher keine Menschenseele gesehen. Wieso fragen Sie?«
    Ein Augenblick herrschte Stille. Dann: »Dieser Mord … die Mörder …«
    Ein Windzug blies eine Wolke Löwenzahnsamen vorbei.
    »Ja?«
    »Ich habe im Laufe meiner Karriere schon viele Morde untersucht. Die meisten sind einfach nur tragisch. Sinnlos. Eifersüchtige Ehemänner. Betrunkene Freunde. Leute mit Psychosen, Zwangsvorstellungen, Stimmen im Kopf. Sie wissen, was ich meine. Aber das hier? Etwas Derartiges habe ich noch nie erlebt. Noch nie! Sagen Sie, war er religiös?«
    »Christian Keiser? Ich würde das Gegenteil behaupten.«
    »Können Sie ein Geheimnis für sich behalten?«
    »Selbstverständlich. Christian war mein Freund.«
    »Wir haben einige bizarre Dinge bei diesem Mord aufgedeckt. Details, die den Medien nicht bekannt sind. Die Kriminaltechniker sagen, wir hätten es mit Profis zu tun. Sie haben das Türschloss geöffnet, ohne auch nur eine einzige Spur zu hinterlassen. Als hätten sie einen Schlüssel gehabt. Sie haben nicht ein Haar hinterlassen. Keine Fingerabdrücke. Aber das ist nicht das eigentlich Merkwürdige. Da bereitet uns das Amulett, das sie ihm in die Hand gedrückt haben, schon mehr Kopfzerbrechen. Oder die sechsundsechzig Kerzen. Das weiße Seidenlaken. Die nackte Leiche. Der Weihrauch. Aber auch das ist nicht das Erschreckendste.«
    »Das Erschreckendste?«
    »Christian Keiser war ausgeblutet.«
    »Was war er, bitte?«
    Meine Großmutter kam aus der Finnmark. Ich wusste sehr genau, was das bedeutete. Trotzdem, ich musste mich verhört haben.
    »Ausgeblutet! Wie ein Fisch oder Schlachttier. Sie haben seinen Leichnam des Blutes entleert – ohne einen einzigen Tropfen zu verschütten.«

VII : Der Lichtbringer
    1
    Ich bin empfänglich für Gerüche. Meine Augen sind nicht gerade gut, doch dafür habe ich einen Geruchssinn wie ein Hund.
    Ein Duft kann mich Hals über Kopf in meine Kindheit zurückversetzen. Himbeerdrops … Papas Rasierwasser und Mamas Parfüm … Schmelzendes Lollipop-Eis und Sonnencreme …
    Ich saß draußen vor der Sennhütte und sog das Aroma des Frühsommers in den Bergen ein. Jeder Atemzug barg eine Schatzkammer. Das Moos und die Erde in den dichten Wäldern, das Wasser der Bäche, die Heide, das Moor, die Laubbäume und der Blütenstaub der Wiesenblumen.
    Menschen, die ihre Nase nicht kultiviert haben, nennen das einfach frische Luft.
    Am Montagvormittag habe ich eine E-Mail von Konservator Taras Koroljov in Kiew bekommen. Er ist von zwei amerikanischen Forschern aufgesucht worden. Zumindest haben diese Männer vorgegeben, Wissenschaftler zu sein. John Scott aus Stanford und Mark DeValois aus Yale. Sie schienen zu wissen, dass das Manuskript ausgetauscht worden war und ich das Original mit nach Norwegen geschmuggelt hatte. Als der Konservator zu leugnen versucht hatte, hatten sie ihm Kopien meiner Flugtickets von Kiew nach Oslo und meines Finanzierungsgesuches an den Dekan der Uni vorgelegt. Sie hatten dem Konservator damit gedroht, den Vorfall den ukrainischen Behörden zu melden, wenn er nicht kooperierte. Konservator Taras Koroljov hatte keine Wahl. Er gab alles zu, sagte aber nichts von Island.
    Mich verwirrte das alles immer mehr. Amerikaner? Wer waren diese sogenannten Wissenschaftler? Dass sie Kopien meiner Flugtickets hatten, sagte mir eins: Sie waren keine Wissenschaftler. Keine Fluggesellschaft rückte Kopien von Tickets heraus, wenn sie nicht von irgendeiner hohen Behörde

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