Das mach' ich doch mit links: Roman (German Edition)
wollte. Gerade noch rechtzeitig hatte Florian ihm das Corpus delicti entreißen können, aber Vollmer hatte nur gelacht. »Macht nichts, der Vorrat ist ja unerschöpflich, und täglich kommen neue dazu.«
Weshalb sollte er sich eigentlich den Kopf darüber zerbrechen, was während seiner Abwesenheit passierte? Er musste sich nur rechtzeitig darum kümmern, dass sein Name aus dem Impressum verschwand. Für die zu erwartende Katastrophe wollte Florian auf keinen Fall verantwortlich zeichnen.
In seinem Zimmer kontrollierte er noch kurz die beiden Korrekturbögen, fand nichts zu beanstanden, malte seinen Kringel drunter und legte sie in den Korb. Spätestens dann, wenn der Druckereileiter seinen allnächtlichen hysterischen Anfall bekam, würde man die Unterlagen vermissen und einen Lehrling in den siebenten Stock schicken, weil der Redaktionsbote mal wieder einen Bogen um die Tür des Lokalredakteurs gemacht hatte. Seitdem Florian ihm statt der erbetenen Karten für ein Gastspiel von Nena zwei Biletts für das Konzert der Oberkrainer in die Hand gedrückt hatte, verachtete Eberhard ihn zutiefst, obwohl es sich doch wirklich nur um ein Versehen gehandelt hatte.
Zu Hause wurde Florian von dem doppelstimmigen Indianergeschrei seiner Kinder empfangen und von dem nicht minder lauten Gebell seines Hundes. Alle drei sprangen an ihm hoch, wobei Klausdieter wie üblich den Kürzeren zog. Er bekam Julias zappelnden Fuss ans Ohr und verzog sich beleidigt in seinen Korb. Florian küsste sich durch die Sippe, wobei er versuchte, Julias Schokoladenfinger von seinem Hals zu entfernen. »Warum bist du immer gerade dann so liebebedürftig, wenn du klebrige Hände hast?« Er schob seine Tochter zur Badezimmertür. »Wasch dich mal!«
»Ich hab’ mich heute Mittag erst gewaschen, und vor dem Schlafengehen muss ich wieder«, protestierte sie, »warum denn jetzt auch noch?«
»Weil Frauen viel schönere Hände haben als Männer. Deshalb gucken die Männer immer drauf, und deshalb sollten die Hände auch immer sauber sein.«
»Wie Mami vorhin den Herd geschrubbt hat, weil die Milch übergekocht ist, waren sie aber gar nicht sauber!«, triumphierte Julia. »Jetzt gibt es fertigen Pudding. Der schmeckt auch viel besser.«
»Wenn du nicht sofort den Mund hältst, bekommst du überhaupt keinen!« Tinchen warf ihrer Tochter einen drohenden Blick zu.
»Die Milch ist auch gar nicht übergekocht, mir ist bloß der Topf umgekippt, weil ich das Brett mit den abgepellten Eiern draufgestellt hatte, und dann ist ein Ei reingefallen, und als ich das zweite gerade noch festhalten konnte, ist das Brett in den Topf gerutscht, und da hat er Übergewicht gekriegt. Angebrannt ist aber nichts«, versicherte sie eifrig, »und ein paar Milchtropfen in der Senfsoße schmeckt man gar nicht. Übrigens ist Karsten da.«
»Was will der denn?« Florian wunderte sich. »Der kriegt doch zu Hause viel besseres Essen.«
Sein Schwager guckte nur flüchtig hoch, als Florian das Wohnzimmer betrat, und vertiefte sich wieder in die Zeitung. »Womit würdest du bloß deine Seiten füllen, wenn es nicht jeden Tag mindestens drei Überfälle gäbe. Diesmal hat es die Pinte gegenüber vom Jan-Wellem-Denkmal erwischt. Da haben sie nicht nur den Safe geknackt, sondern darüber hinaus alle Bierfässer auslaufen lassen. Kann ich verstehen, da schmeckt das Altbier immer nach Seife. Von den Tätern fehlt natürlich jede Spur.«
»Vielleicht könnte man der Kriminalität besser Herr werden, wenn ein paar Polizisten vom Fernsehen abgezogen und in den Großstädten eingesetzt würden.« Florian ging zum Teewagen, auf dem vier nahezu leere Flaschen standen, und hielt sie nacheinander ins Licht.
»Ich kann dir noch einen halben Whisky anbieten oder einen Schluck Doppelkorn. Den Rest Kognak trinke ich jetzt nämlich selber.«
»Er sei dir gegönnt. Ich habe ihn ja extra für dich übrig gelassen.«
Auf ein Glas verzichtete Florian. Er setzte die Flasche gleich an den Mund und stellte sie anschließend wieder zu den anderen. »Man sieht ja nicht, dass sie leer ist.« Dann musterte er seinen Schwager von den ausgelatschten Tretern bis zu dem dringend renovierungsbedürftigen Lockenkopf und fragte misstrauisch: »Was verschafft uns eigentlich die Ehre deines Besuchs? Willst du etwa deine Schulden bezahlen?«
»Um Himmels willen, nicht so kurz vor Ultimo«, entrüstete sich Karsten. »Der alte Herr rückt doch keinen Pfennig Vorschuss heraus. Neulich habe ich ihn um Geld gebeten
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