Das mach' ich doch mit links: Roman (German Edition)
du denkst …« Die Stimmen entfernten sich, und hinter Florians Rücken brach schallendes Gelächter los. Der gesamte Nachwuchs stand aufgereiht und schüttelte sich vor Vergnügen.
»Jetzt wäscht sie sich bestimmt tagelang nicht die Hände! Ich kann mir nämlich nicht vorstellen, dass sie schon mal einen Handkuss gekriegt hat«, kicherte Melanie, und Rüdiger prustete: »›Gnädige Frau!‹ Ausgerechnet die! Stammt aus einem Gemüsekeller, hat diesen Schwachkopf von Kaiserling geheiratet, als der eine Erbschaft gemacht hatte, und mimt jetzt die große Dame. Dabei ist sie strohdumm und zeichnet sich nur durch stadtbekannte Klatschsucht aus. Wir liegen dauernd im Clinch mit ihr.«
»Dann verstehe ich nicht, weshalb sie so heroisch auf Einbrecherjagd gegangen ist.«
»Neugier, pure Neugier. So dämlich, am hellen Vormittag an einen Überfall zu glauben, ist sie nun auch wieder nicht.«
Trotz Urbans düsterer Prophezeiung ließ sich kein interessierter Zuschauer mehr sehen, und Florian konnte nun doch seinen Rundgang antreten.
Das Mittagessen führte endlich einmal die ganze Familie zusammen. Insgeheim musste Florian zugeben, dass der blank polierte Mahagonitisch zwar ebenso wertvoll wie scheußlich war, in diesem Haushalt jedoch eine zwingende Notwendigkeit darstellte. Selbst wenn man die Leuchter, das Platz raubende Blumengesteck, die Messerbänkchen und vor allem das Sortiment von Gläsern wegräumen würde, bliebe immer noch kaum Platz genug für Teller und Schüssel. Deshalb also hatte er den Beistelltisch holen müssen, an dem Martha jetzt hantierte, bevor sie die Bratenplatte herumreichte.
»Danke, Martha, wir bedienen uns schon selber«, meinte Gisela mit einem herablassenden Kopfnicken, worauf Martha »Jawohl, Frau Doktor«, sagte und sich zurückzog.
Da platzte Florian endgültig der Kragen. Wütend schrie er seinen Bruder an: »Wenn schon deine Frau zu wenig Fingerspitzengefühl hat, zwischen Dienstboten und Familienmitgliedern zu unterscheiden, dann solltest wenigstens du genug Takt besitzen, Marthchen nicht wie eine Angestellte zu behandeln! Immerhin hat sie dir lange genug den Hintern abgewischt!«
Peinlich berührt sah Gisela ihren Schwager an. »Könntest du nicht ein weniger drastisches Beispiel nennen, um mir zu verdeutlichen, dass Martha schon seit Jahrzehnten im Dienst der Benders steht?«
»Wenigstens hast du das begriffen. Solch eine treue Seele schiebt man nicht einfach beiseite, auch wenn du sie großzügig bezahlst, damit sie hier den Laden schmeißt. Was sie für euch alle tut, könnt ihr ja gar nicht mit Geld aufwiegen!«
»In gewisser Weise hast du Recht, Florian«, sagte sein Bruder, »aber wir sind weit davon entfernt, Martha als Dienstboten zu betrachten. Nur – was erwartest du eigentlich?«
»Dass sie hier mit uns am Tisch isst!«, beharrte Florian störrisch.
»Das will sie aber nicht. Früher hat sie es immer getan, aber seitdem wir hierhergezogen sind, hat sie es abgelehnt. Sie wollte lieber in ihrer Küche bleiben. Und diesen Wunsch haben wir natürlich respektiert.«
»Nur zu gerne, nicht wahr? Oder irre ich mich da, liebe Gisela?«
»Du irrst dich nicht, lieber Florian. Solange die Kinder jünger waren und sich die Tischgespräche um Kindergartenfeste oder Schulprobleme drehten, war Marthas Anwesenheit ganz natürlich. Jetzt werden jedoch gelegentlich Themen erörtert, die innerhalb des engsten Familienkreises bleiben sollten.«
»Das ist nun wirklich der dämlichste Grund, den du vorschieben konntest!« Absichtlich übersah er das Vorlegebesteck und spießte mit seiner Gabel einen weiteren Kloß auf, den er vorsichtig zu seinem Teller balancierte. »Wenn unsere Eltern nur die Hälfte von dem gewusst hätten, was wir seinerzeit Marthchen anvertraut haben, dann hätten sie bereits mit vierzig einen Herzschlag bekommen und könnten jetzt nicht bei bester Gesundheit ihre staatliche Pension verjubeln. Stimmt’s, Fabian?«
Der nickte bloß, mit vollem Mund spricht man eben nicht. Vielleicht wollte er auch gar nicht, zumal seine Frau bereits wieder das Wort ergriffen hatte. »Natürlich bleibt es dir unbenommen, während unserer Abwesenheit von den eingefahrenen Gleisen abzuweichen. Ich fürchte nur«, fügte sie mit einem Seufzer hinzu, »etwaige Änderungen werden sich nicht nur auf die Tischgewohnheiten beschränken.«
»Da könntest du durchaus Recht haben«, bestätigte Florian kauend, »aber da du ja den Untergang des Abendlandes nicht als unmittelbarer
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