Das mach' ich doch mit links: Roman (German Edition)
erzählte. Und je mehr er erzählte, desto heftiger glühten Tinchens Wangen. »Die haben sogar eine Bügelfrau? Dann kann ich für Julia ja doch noch das Kleid mit den vielen Rüschen kaufen.«
»Vergiss nicht, dass wir in einem halben Jahr wieder auf derartige Annehmlichkeiten verzichten müssen.«
»Bis dahin ist sie längst wieder rausgewachsen. – Ach ja, was ich noch fragen wollte: Hast du Hunger?« Und als Florian verneinte:
»Ein Glück, es ist nämlich auch nichts da.«
Er erinnerte sich der milden Gaben, die Marthchen ihm zugesteckt hatte. »Im Wagen steht eine halbe Torte. Wenn du Appetit hast, kannst du sie raufholen.«
Wenig später war Tinchen zurück. In einer Hand jonglierte sie die leicht ramponierte Torte, von der anderen tropfte Blut. »Ich bin da in was reingetreten. Als ich es aufheben wollte, habe ich mich geschnitten.« Auf dem Weg ins Bad zog sie eine unübersehbare Spur von hausgemachter Sülze hinter sich her.
Florian leistete Erste Hilfe. Das Heftpflaster lehnte Tinchen ab, bestand auf einem richtigen Verband, weil der sie zumindest heute Abend vom verhassten Abwasch befreien würde. Sollte Florian doch auch mal etwas tun! Schließlich hatte er sich das ganze Wochenende bedienen lassen! Bei dem vielen Personal, das sich in Steinhausen offenbar gegenseitig auf die Füße trat, hatte ihr lieber Mann bestimmt keinen Finger gerührt. Oder wenn doch, dann nur, um sein Glas neu zu füllen. Wahrscheinlich hatte er sogar mit dem Cocktailshaker in der Hand aufs nächste Erdbeben gewartet. Sie zog Julia die Stiefel an, knöpfte sie in ihren Anorak und verkündete beiläufig: »Wir holen jetzt Tobias ab.«
Kaum war die Wohnungstür zu, als Florian ungewohnten Arbeitseifer entwickelte. Mit wenigen Griffen räumte er seine Reisetasche aus – die Marmeladengläser hatten die Attacke des Wagenhebers unbeschadet überstanden –, verstaute sie in der Besenkammer, hängte den Jogginganzug zum Lüften auf den Balkon, die nicht benutzte Krawatte zu den beiden anderen in den Schrank, schloß ihn ab und sah sich suchend um. Doch, zumindest seine Sachen hatte er weggeräumt und damit ein Beispiel für die künftige Lebensweise gegeben. In so einem großen Haushalt, wie er sie jetzt erwartete, ging es nicht ohne ein gewisses Maß an Ordnung. Das musste auch Tinchen einsehen.
Was hatten zum Beispiel die gebügelten Servietten mitten auf dem Dielentischchen zu suchen? Sie gehörten zu den anderen in die Kommodenschublade.
Und die klemmte! Beide Knie stemmte Florian gegen das Möbel, rüttelte und zerrte an den Griffen und zog endlich mit einem Ruck das Schubfach heraus. Dann holte er eine Feile, das große Brotmesser, einen Hammer und einen Schraubenzieher – mehr Werkzeug hatte sich trotz längerer Suche nicht auftreiben lassen – und ging an die Arbeit. Er schnitzelte und feilte, raspelte hier ein bisschen ab, glättete dort eine Kante, rieb die solchermaßen misshandelten Flächen noch gründlich mit Seife ein und triumphierte, als sich die Schublade nun mühelos hin und her schieben ließ. Na also, die hätte er wirklich schon viel eher reparieren können! Aber auch das sollte sich in Zukunft ändern. Er würde nichts mehr auf die lange Bank schieben, sondern alles sofort in Angriff nehmen. Als Erstes würde er morgen Früh die längst überfällige Kraftfahrzeugsteuer bezahlen.
Nach dem Abendessen, das von Frau Antonie stammte und aus Blätterteigpastetchen mit einer kalorienarmen Füllung bestand (kein Wunder, dass so viel übrig geblieben war, dachte Florian, während er die Zucchinischeibchen heraussuchte und den Tellerrand damit dekorierte), brachte Tinchen die Kinder ins Bett, und Florian trat seinen Küchendienst an. Natürlich war er für Gleichberechtigung, es machte ihm auch nichts aus, mal zum Staubsauger zu greifen oder Gardinen aufzuhängen, dazu brauchte er nicht mal eine Leiter, aber ausgerechnet Geschirr spülen?? Andererseits war es seine eigene Schuld. Hätte er die Sülze nicht auf den Wagenboden gestellt und hätte er den Kuchen selber geholt …
Aus dem Schlafzimmer hörte er plötzlich Krach, gefolgt von einer Reihe unfreundlicher Bemerkungen. Er stürzte hin und fand seine Frau auf dem Fußboden, die Beine von sich gestreckt und die Schublade auf dem Bauch. Der Inhalt war im Zimmer verstreut – Tischdecken, Servietten, Modeschmuck, Waschlappen, Gummiringe und Dutzende von Fotos. Mitten drin saß Tinchen und starrte Florian wortlos an.
»Funktioniert wieder
Weitere Kostenlose Bücher