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Das mach' ich doch mit links: Roman (German Edition)

Das mach' ich doch mit links: Roman (German Edition)

Titel: Das mach' ich doch mit links: Roman (German Edition) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Evelyn Sanders
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drüben hatte vorhin bestimmt nicht dort gehangen. Die Bäume waren auch viel größer, und dann bemerkte er, dass der Gehweg gepflastert war. Das wäre ihm vorhin bestimmt aufgefallen. Es half nichts – er hatte sich verlaufen.
    Na, wenn schon, dann frage ich eben. Da hinten kommen ja Leute. Im selben Augenblick fiel ihm ein, dass er nicht einmal den Namen der Straße wusste, in der Onkel Fabians Haus stand. Nummer 12 war es, daran konnte er sich erinnern, weil sich vorhin die Sonne so schön in den blank geputzten Kupferzahlen gespiegelt hatte, aber wie die Straße hieß, konnte er beim besten Willen nicht mehr sagen. Irgendetwas mit Musik hatte es zu tun, Musikantenviertel hatte Papi mal gesagt, doch Tobias kannte nur Kinderlieder und natürlich Nena mit den neunundneunzig Luftballons, aber so hatte die Straße ganz bestimmt nicht geheißen.
    Jetzt fingen die Tränen, die er so mühsam unterdrückt hatte, doch an zu tropfen, und als das junge Paar, das seine vierbeinige Promenadenmischung Gassi führte, auf gleicher Höhe mit ihm war, hatte der Tränenstrom schon Niagarafallstärke erreicht.
    »Na, du Krümel, hast du Dresche gekriegt, oder ist dir bloß deine Eistüte runtergefallen?«
    Tobias schniefte und sah in das lachende Gesicht eines Mannes, der große Ähnlichkeit mit Herrn Schneider hatte. Herr Schneider war sein Klassenlehrer in Düsseldorf und sein großes Idol, weil er immer mit dem Motorrad in die Schule fuhr und im Zeichenunterricht Drachen baute. Ach ja, zu Hause – Tobias schluchzte tief auf –, da hätte er sich nicht verlaufen, und vor allem wusste er, dass er in der Tannhäuserstraße 37 im Parterre wohnte.
    Der Beinahe-Herr-Schneider beugte sich herab. »Nun erzähl mal, was passiert ist. Ganz ohne Grund weint man doch nicht so doll.«
    Da sprudelte es aus Tobias heraus. Von Patrick und von Oma, die ihn unbedingt baden wollte, vom falschen Hund und der Hexe, die gar keine war, von Onkel Fabian in Amerika und von dem Haus, das irgendwo steht, wo Musik ist.
    »Das ist alles gar nicht so schlimm«, tröstete der Beinahe-Herr-Schneider. »Dein Onkel hat doch sicher Telefon?«
    »Ja, aber ich weiß die Nummer nicht.«
    »Brauchst du auch nicht. Du kommst jetzt mit zu uns nach Hause, das ist gleich hier um die Ecke, dann sehen wir im Telefonbuch nach, wo dein Onkel wohnt, und ich bringe dich schnell hin. Dann muss auch gar keiner erfahren, dass du dich verlaufen hast. Einverstanden?«
    Und ob er einverstanden war! Im Stillen hatte er schon Mamis Donnerwetter gehört und Omas Vorwürfe, weil man kleine Kinder nicht allein in einer wildfremden Umgebung auf die Straße lassen dürfe, und überhaupt sei ja jetzt ein Garten da, der zum Spielen nun wirklich groß genug sei. Schon ein paar Mal während der Herfahrt hatte Tobias diese Behauptung gehört und sich seinen Teil gedacht. Gärten waren gut für Hunde und für kleine Schwestern, die den ganzen Tag mit ihren Puppen herumzogen, aber nicht für Jungs, die schon in die dritte Klasse gingen. Übrigens gefiel ihm dieser Beinahe-Herr-Schneider ausnehmend gut. »Haben Sie auch Kinder?«, fragte er hoffnungsvoll.
    »Nein, die sind uns momentan noch zu teuer. Ich studiere nämlich noch.«
    »Na ja, vielleicht werden sie mit der Zeit billiger«, tröstete Tobias. »Ich glaube, meine Schwester hat überhaupt nichts gekostet, aber die war auch furchtbar klein, als wir sie kriegten.«
    Weshalb die beiden laut loslachten, verstand er zwar nicht, aber vorsichtshalber grinste er auch ein bisschen. Vielleicht hatte er mal wieder ein Bongmoo geliefert – was immer das auch sein mochte. Papi schrieb sich so etwas jedes Mal auf, für sein Buch, wie er sagte, aber er meinte bestimmt die Zeitung. Da standen sowieso bloß lauter Sachen drin, die Tobias nicht begriff. Bongmoos gehörten sicher auch dazu.

    Im Hause Bender hatte man den Junior noch gar nicht vermisst. Tinchen hatte sich zwar ein paar Mal gefragt, wo ihr Sprössling wohl herumstrolchen mochte, aber im Grunde war sie ganz froh, dass er nicht ständig hinter ihr herlief und sie mit seinen Wünschen nach Himbeersaft und Käsebrot mit Marmelade obendrauf traktierte. Sie wusste ohnehin nicht, wo ihr der Kopf stand, denn alle Hilfskräfte, mit denen sie gerechnet hatte, waren verschwunden.
    Die erstaunlich schnell regenerierte Frau Antonie hatte nach einer kurzen Besichtigung des ihr zugeteilten Zimmers beschlossen, auf ein Ruhestündchen zu verzichten und stattdessen lieber das Haus in Augenschein zu

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