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Das mach' ich doch mit links: Roman (German Edition)

Das mach' ich doch mit links: Roman (German Edition)

Titel: Das mach' ich doch mit links: Roman (German Edition) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Evelyn Sanders
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angemieteten Wagen zurück nach Tübingen zu bringen.
    Zwei Tage später musste Klärchen erneut nach Stuttgart. Diesmal wollte sie Weihnachtseinkäufe erledigen. Mr. McPherson wartete am Bahnhof, worauf man gemeinsam nach Hechingen fuhr zwecks Besichtigung der Zollernburg. Klärchen erläuterte alles Historische, Mr. McPherson interessierte sich mehr für Gegenwärtiges und machte ihr am Sarkophag Friedrichs des Großen einen Heiratsantrag. Die künftige Mrs. McPherson rechnete das Ersparte aus 22 Jahren Lehrtätigkeit am Tübinger Gymnasium in Dollar um und bot ihrem nunmehr Verlobten Teilhaberschaft an. Er war entzückt über so viel Sinn für Business, reiste noch zwei Wochen lang durch Deutschland, um seine Geschäfte abzuwickeln, stellte sich auf dem Rückweg seinen neuen Verwandten vor und nahm die Braut gleich mit.
    Aus Klärchen Bender wurde also Claire McPherson, aus der betulichen Oberstudienrätin ein Mitglied der Upper Class, das seine Haare rosa tönen ließ, bei Wohltätigkeitsveranstaltungen der Kirchengemeinde präsidierte und den Reichtum ihres Gatten mehren half. Das nahezu akzentfreie Oxford-Englisch wich dem singenden Dialekt der Südstaatler, und schon nach drei Jahren war Mrs. McPherson amerikanischer als die meisten Damen ihres Bekanntenkreises.
    Nach weiteren drei Jahren starb Mr. McPherson. Er erlag einem Magenleiden, das er sich – wie allgemein vermutet wurde – durch die rigorose Ernährungsumstellung zugezogen hatte. Der tägliche Umgang mit Korsetts hatte in seiner Gattin wohl die Vision hervorgerufen, sie könne eines Tages auch solch einen Panzer brauchen, und von diesem Augenblick an variierten die täglichen Menüs zwischen Steak mit Salaten oder Salaten mit Steaks. Als Dessert kam Joghurt auf den Tisch. Dieses abwechslungsreiche Mahl wurde jeden Abend pünktlich um halb sieben serviert, und zwischendurch gab es lediglich schwarzen Kaffee und Mineralwasser. Anfangs hatte Mr. McPherson noch revoltiert und seine Sekretärin mehrmals täglich in die nahe Imbissstube geschickt, aber nachdem ihn seine Gattin mit einem ketchupgetränkten Hamburger erwischt hatte, ließ sie ihren eigenen Schreibtisch kurzerhand in das Büro ihres Mannes stellen, wo sie ihn acht Stunden lang unter Kontrolle hatte. Mr. McPherson resignierte, magerte ab, kriegte ein Magengeschwür und starb.
    Zwei Tage nach den Trauerfeierlichkeiten beauftragte Klärchen ihren Anwalt mit dem Verkauf der Korsettfabrik. Die Jogging-Welle hatte erste Wirkung gezeigt und den Umsatz von Miederwaren bedenklich zurückgehen lassen. Und weil sie gerade beim Verkaufen war, veräußerte sie auch gleich noch das Haus und zog in eine Eigentumswohnung nach Florida, wo der Himmel blauer war, das Klima milder und die Anzahl gut betuchter Rentner ungleich höher als in Atlanta.
    Nach einigen Jahren musste sie feststellen, dass sich ihr Kapital nicht mehr kontinuierlich vermehrte, sondern im Gegenteil weniger wurde. Sie rechnete sich aus, dass sie bei ihrem gegenwärtigen Lebensstandard in zirka 14 Jahren nur noch knapp eine Million übrig haben würde, und das schien ihr im Hinblick auf die hohe Lebenserwartung, mit der ihre Familie gesegnet war, doch etwas bedenklich. Also fasste sie den Entschluss, künftig mehr auf Reisen zu gehen, und zwar dorthin, wo es Verwandte gab, bei denen sie Kost und Logis erwarten durfte. In Schottland hatte es ihr aber nicht gefallen, die angeheirateten Cousins und Kusinen besaßen ja auch keine Fabrik, sondern günstigstenfalls einen kleinen Bauernhof, der nur das Nötigste hergab und Klärchen zwang, schon nach wenigen Tagen wieder abzureisen. Sie erholte sich eine Woche lang im Londoner Dorchester-Hotel, von wo aus sie ein rundes Dutzend Telefongespräche nach Deutschland führte und ihre Reiseroute festlegte. Während der nächsten Monate durchquerte sie die Bundesrepublik von Nord nach Süd, wohnte bei ehemaligen Studienkollegen, bei Freundinnen, die sich an die »einst doch so innigen Beziehungen« gar nicht mehr recht erinnern konnten, und überall ließ sie durchblicken, dass sie sich seit dem Tode ihres geliebten Mannes finanziell doch sehr einschränken müsse.
    Nur ihren Verwandten konnte sie nichts vormachen, hatte sie doch in den ersten Jahren bedauerlicherweise in langen Briefen den Luxus geschildert, der sie umgab, Ansichtskarten aus Hawaii geschickt und Fotos vom neuen Cadillac. Niemand glaubte ihr, dass sie am Hungertuch nagte, und sie hütete sich wohlweislich, derartige

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