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Das Mädchen am Rio Paraíso

Das Mädchen am Rio Paraíso

Titel: Das Mädchen am Rio Paraíso Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Ana Veloso
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Regen war ihnen erspart geblieben. Nun sah es aus, als zöge ein Gewitter herauf. Die schräg stehende Sonne funkelte durch die düsteren Wolkenberge hindurch. Hinter dem Anwesen reichte das Grau der Wolken bis zum Boden – es regnete. Es war ein grandioser Anblick, denn die Sonne zauberte einen Regenbogen an den Himmel, wie um Raúls Hof zur Begrüßung des Hausherrn in dem denkbar schönsten Rahmen zu präsentieren.
    Der Wind wirbelte winzige silbrige Blättchen durch die Luft. Sie glitzerten wie Schneeflocken. Jetzt, dachte Klara, erinnerte die Landschaft doch mehr an den Hunsrück an einem Apriltag, wenn kräftiger Wind die feinen Kirschblüten vom Baum fegte, wenn es sommerlich warm sein und kurz darauf schneien konnte. Sie schluckte schwer und tupfte sich verstohlen die Augen. Nein, keine Sorge, gab sie Teresa zu verstehen. Es war nur ein Staubkorn.

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    A m 13 . August fiel Schnee. Wir trauten unseren Augen kaum. Feine Flocken rieselten vom Himmel herab, legten sich auf die Felder, bestäubten die hohen Araukarien, bedeckten gnädig den Dreck im Hühnerpferch. Wir waren völlig aus dem Häuschen, waren hingerissen und entsetzt zugleich. Sosehr uns die Hitze des Sommers zugesetzt hatte, so wenig wollten wir, dass Frost und Kälte unsere Ernte angriffen. Unsere Besorgnis erwies sich gottlob als voreilig, denn das ganze Spektakel dauerte nicht lange. Der Schnee schmolz, kaum dass er die Erde berührt hatte, und für den Rest des Monats ähnelte das Wetter dem, das man im Hunsrück gewöhnlich im April hatte.
    Während wir dem kurzen Schneefall durchaus schöne Seiten abgewinnen konnten, weil er eine so willkommene Abwechslung von der ewigen Hitze bot – obwohl natürlich der Herbst, also der Zeitraum von April bis Juni, bereits ein wenig frischer gewesen war –, war er für die neuen Siedler eine Katastrophe. Mittlerweile waren drei weitere Schiffe mit Deutschen angekommen, das letzte davon mitten in der kältesten Phase des insgesamt sehr milden Winters. Ich hatte großes Mitleid mit ihnen, denn ich stellte es mir grausam vor, in der neuen Heimat einzutreffen, in der angeblich immer Sommer war, und dann in einem primitiven Verschlag frieren zu müssen.
    Für uns dagegen war die Kälte nicht weiter schlimm. Inzwischen hatten wir ein richtiges kleines Fachwerkhaus errichtet, mit einem Ziegeldach, mit Holzböden und mit zwei separaten Räumen, die eine Holztür mit aufwendigen Schnitzereien miteinander verband. Wir hatten vernünftige Möbel, ein gemütliches, warmes Bett und genügend Vorräte an Lebensmitteln. Hannes hatte von dem kleinen Gewinn, den wir mit unserer ersten Tabak- und Maisernte einfuhren, zwei Schweine in der Stadt gekauft und mir diverse Stoffe und Garne mitgebracht, aus denen ich bereits einige hübsche Decken und Kissenbezüge gefertigt hatte. Unser Haus wirkte dadurch viel wohnlicher. Im Garten hatten wir unseren Brunnen, einen schönen, großen, überdachten Steinofen sowie einen kleinen Stall für unser Vieh. Es war nach wie vor alles sehr einfach, aber wir hatten, was wir brauchten. Wir fühlten uns wohl. Und wir begannen, uns heimisch zu fühlen.
    Dazu trug ebenfalls bei, dass die Neuankömmlinge uns mit Fragen löcherten. In ihren Augen waren wir die Alteingesessenen, die sich hier schon bestens zurechtfanden und alles wussten. Mir erschien das ein wenig lächerlich, denn jemanden, der selber noch nicht so genau wusste, wann die Maniokwurzeln reif zum Ernten waren, konnte man ja nicht allen Ernstes als Experten betrachten. Aber wir beantworteten alle Fragen nach bestem Wissen und Gewissen. Es ließ sich kaum vermeiden, dabei auch bestimmte exotische Wörter zu gebrauchen, etwa die eine oder andere einheimische Bezeichnung von Pflanzen oder Tieren, die wir irgendwo aufgeschnappt hatten und wie selbstverständlich verwendeten, wenn es kein entsprechendes deutsches Wort gab. Bestimmt klang auch hier und da der Stolz auf das durch, was uns in der kurzen Zeit schon alles gelungen war. Jedenfalls spürten wir, wie bewundernd die Neuen zu uns aufschauten, und es gab uns ein gutes Gefühl.
    »Genauso haben wir vor nicht mal einem Jahr dem Hellrich gelauscht«, stellte ich grinsend fest. Hannes lachte und meinte: »Ausgerechnet! Da hatte der alte Dummkopf endlich ein paar Blöde gefunden, die ihm zuhörten. Weißt du noch, wie wir uns haben beeindrucken lassen, weil er mit
pitangas
und
jaboticabas
nur so um sich warf?«
    Ich schüttelte den Kopf: »Unglaublich.« Heute fanden wir es

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