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Das Mädchen am Rio Paraíso

Das Mädchen am Rio Paraíso

Titel: Das Mädchen am Rio Paraíso Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Ana Veloso
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nachdem ich sie zuvor auf dem Weg hierher gestillt hatte, rief in ihrem prachtvollen Taufkleid große Bewunderung hervor. Der Pfarrer begrüßte uns huldvoll. Er war sich durchaus der Tatsache bewusst, dass es sich um einen historischen Moment handelte – die erste Taufe in São Leopoldo d  – und er erstickte beinahe an der Würde, die er auszustrahlen sich vorgenommen hatte.
    Die Taufe sollte auf dem Grundstück vor dem Pfarrhaus vorgenommen werden, auf dem man eines Tages eine richtige Kirche errichten wollte. Noch aber war es nichts weiter als eine Fläche festgestampfter Erde. Dennoch entbehrte die Szene nicht einer gewissen Schönheit, denn mitten auf dem kleinen Platz prunkte ein Taufbecken aus poliertem, grün-schwarz gesprenkeltem Granit, das in der Sonne funkelte. Dankbar sah ich zu Friedhelm hinüber – da war ihm wirklich ein Glanzstück gelungen!
    Der Pfarrer Zeller sprach sehr gelehrte Worte, die aber wegen seines starken schwäbischen Akzents in unseren Ohren ein wenig lächerlich klangen. Dennoch wurde es eine gute Taufe. Hildchen schlief die ganze Zeit, und nur als das braune Wasser an ihr Gesichtchen kam, blinzelte sie kurz. Dann schlief sie weiter. Ich hatte ebenfalls keinen rechten Sinn für die Erhabenheit der Zeremonie, weil ich schon in Gedanken dabei war, die Flecken des Taufwassers aus dem Kleid und dem Mützchen herauszuwaschen. Die anderen Leute jedoch, etwa vierzig an der Zahl, waren offensichtlich bewegt, weniger von der Taufe selber als vielmehr von dem katholischen Ritual, dem lateinischen Gesang des Pfarrers und dem gemeinsam gesprochenen Vaterunser. Wir hatten allzu lange ohne geistlichen Beistand gelebt. Es tat gut, wieder einen Pfarrer in unserer Mitte zu haben.
    Im Anschluss an die Taufe kamen alle in überaus aufgeräumter Laune zu uns, um uns zu gratulieren und kleine Geschenke für Hildchen zu überreichen. Die schönste Überraschung kam von Holger Winterfeld, einem der am längsten hier ansässigen Kolonisten: »Hier«, sagte er und übergab uns einen abgegriffenen Umschlag, der mit vielerlei Marken und Stempeln versehen war, »der kam vorgestern für euch. Ich dachte, ich warte bis nach der Taufe, bis ich ihn euch gebe, man weiß ja nie, ob es gute oder schlimme Nachrichten sind.«
    Ein Brief von daheim! Ich griff gierig danach und riss ihn ungeduldig auf. Vergessen waren die Taufe und der Pfarrer, der die Runde drehte und allen ein paar freundliche Worte sagte. Vergessen waren die Gäste, die Geschenke und der Durst, der mich während der etwas ausschweifenden Rede des Pfarrers geplagt hatte. Ich überflog hastig die Zeilen. Unsere engeren Freunde waren näher herangetreten. Post aus der alten Heimat war hier zu einer Art öffentlichen Guts geworden. Jeden interessierte brennend, was zu Hause vor sich ging, wie die Ernte und die politischen Umstände waren.
    Die Handschrift meiner Schwester Hildegard konnte ich zum Glück gut entziffern. Ich las den Brief, der viele Seiten lang war, zunächst quer. Dann trug ich die Stellen, die weniger privater Natur waren und die für unsere Kolonistengemeinschaft von Bedeutung sein mochten, laut vor.
    So heiß und trocken war es Anfang Juli hier seit Menschengedenken nicht mehr. Die Kinder freut’s, denn sie tollen ausgelassen herum und sind kaum noch je im Haus anzutreffen. Doch wir Erwachsenen sorgen uns: wochenlang blauer Himmel und kein Tropfen Regen. Die Bäche sind nur noch Rinnsale, und von Mosel und Rhein hört man, sie stünden so tief, dass keine Schiffe mehr passieren können. Der letzte Regen fiel Anfang April! Wenn das so weitergeht, werden wir mit dem Darben nicht erst bis zum Winter warten müssen. In den Wäldern färbt sich vor lauter Trockenheit schon jetzt das erste Laub braun, und vorgestern hat es beim alten Ochsenbrücher gebrannt, weil ein Funke aus dem Herd geradewegs in seine Heumatratze geflogen ist. Sicher, der Mann hätte besser achtgeben müssen, aber wem nützt das Schimpfen jetzt noch? Das ganze Dorf, Männer wie Frauen, kamen, um beim Löschen zu helfen, so dass der Hof im Großen und Ganzen gerettet werden konnte. Aber die Stube ist unbewohnbar, so dass die Schneiders den Alten bei sich aufgenommen haben.
    Hier unterbrach ich kurz, denn wie die Schneiders sich dabei fühlten, wenn die den sonderlichen Kauz beherbergten, ging keinen hier etwas an. All die Passagen, in denen es um persönliche Dinge, aber auch um alte Nachbarn, Freunde und Bekannte ging, würde ich mir daheim in Ruhe durchlesen.
    Zu

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