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Das Mädchen am Rio Paraíso

Das Mädchen am Rio Paraíso

Titel: Das Mädchen am Rio Paraíso Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Ana Veloso
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dieser sich zu einem Buckel durch. Dazu kam, dass mir durch die Nähe zu Hannes sehr warm war. Ich schwitzte von Kopf bis Fuß, mein Nachthemd klebte richtig an mir. Irgendwann schlief ich dann aber doch wieder ein, da war die Müdigkeit stärker als das Bedürfnis nach Komfort.
    Ich erwachte von Hannes Hand, die sich langsam und zielstrebig an meinem Schenkel hinaufbewegte. Ich schlug die Augen auf, gab ein Grunzen von mir und hörte ihn raunen: »Wir müssen doch unser neues Heim richtig einweihen.«
    Ich hatte vorher, im Hunsrück und dann auf dem Schiff, diese Situation so oft herbeigewünscht: dass wir endlich allein und ungestört und ohne Gewissensbisse beieinanderliegen könnten. Jetzt, da es so war, wünschte ich mir nur, dass Hannes von mir ablassen möge. Mir taten alle Knochen weh, ich war müde, ich dachte voller Unbehagen an die viele Arbeit, die auf uns wartete. Andererseits sah ich ein, dass er recht hatte. Was nützen das Auswandern, das eigene Stück Land, die Plackerei, das Heimweh und das alles, wenn man dem einzigen Menschen, den man hatte, nicht seine Liebe zeigte? Zu einem guten, vollständigen Neuanfang, den man als junges Ehepaar wagt, gehörte schließlich auch, dass man ihn mit etwas Schönem beging, nicht nur mit Schwielen an den Händen und Mückenstichen am Rest des Körpers. Ich ließ ihn gewähren, wenngleich ich mich ein wenig um das Kindchen in meinem Bauch sorgte.
    Nach einer Weile begann ich, Gefallen daran zu finden. Seine Berührungen, seine Küsse und seine unübersehbare Erregung riefen auch bei mir Lust hervor. Wegen der Hängematte waren einige Verrenkungen nötig, so dass unsere Vereinigung hastiger verlief, als ich es mir gewünscht hätte, aber wir waren anschließend trotzdem angenehm ermattet und zugleich voller Schwung, diesen neuen Tag in der neuen Heimat anzugehen.
    Das Frühstück verpasste uns den ersten Dämpfer. Die Hühner hatten kein einziges Ei gelegt, und der Brei, den ich aus dem Maniokmehl und Wasser kochte, war ungenießbar. Wir aßen ihn trotzdem, zehrten aber erneut von unserer wertvollen Speckseite. Ewig konnte das so nicht weitergehen.
    Heute, so nahm ich mir vor, würde ich weniger Zeit mit Sense und Hacke verbringen und mehr mit den eigentlichen Frauenarbeiten: die Kuh zu melken, die Bohnen einzuweichen und das Trockenfleisch zu wässern, unsere Truhe auszuräumen und die Hütte einzurichten, genügend Wasser zum Kochen herbeizuschaffen und Wäsche zu waschen. Des Weiteren wollte ich uns aus den länglichen Blättern einer mir unbekannten Pflanze Hüte flechten, denn unsere Filzhüte waren viel zu warm, unsere Strohhüte hatten die Reise nicht überstanden, und ohne Kopfbedeckung verbrannte unsere Haut. Beide hatten wir uns schon den ersten Sonnenbrand geholt, wobei meiner nicht ganz so garstig wie der von Hannes war, dessen Nase leuchtend rot glühte und schmerzte.
    An unserer Kleidung musste ebenfalls allerhand ausgebessert werden, wozu mir während der Reise das richtige Handwerkszeug gefehlt hatte. In der Truhe jedoch war alles, ich selber hatte ein kleines Nähkästchen hineingepackt.
    Die Menge der Aufgaben, die vor uns lagen, schien unüberwindlich. Ich sehnte mich nach einem Brunnen mit klarem Wasser, nach einem Herd und einem Backofen, nach vernünftigen Möbeln und einem stabilen Haus. Doch all das hatte zu warten. Bevor wir nicht die erste Saat ausgebracht hätten, würden wir weiter hausen müssen wie die Hottentotten. Bevor wir uns nicht mit den örtlichen Gegebenheiten vertraut gemacht hätten, bevor wir nicht die Pflanzen und Tiere der Region sowie deren Tauglichkeit für unseren Speisezettel kannten, war die Behaglichkeit unseres Heims nebensächlich. Es fiel mir sehr schwer, das zu akzeptieren, denn mehr Freude macht die Eingewöhnung an einem neuen Ort bestimmt, wenn man dort gleich von ein paar hübschen Dingen umgeben ist, die annähernd an zivilisiertes Leben erinnern. Nicht, dass ich mich schon an vielen Orten hätte einleben müssen.
    Wohl wissend, dass ich zuallererst die Hühner hätte füttern müssen, wühlte ich in unserer Truhe herum und förderte die Porzellanfigur zutage, die Hannes mir geschenkt hatte. Ich wickelte sie vorsichtig aus dem Papier aus und dankte dem lieben Gott, dass das kleine Kunstwerk die lange Reise unbeschadet überstanden hatte. Es gab in der Hütte bislang weder ein Regal noch eine andere Stellfläche für die Tänzerin, dennoch war mir gleich wohler zumute, als ich sie auf den grobgezimmerten Tisch

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