Das Mädchen auf den Klippen (German Edition)
hinaufgestiegen war, drehte sie sich um und suchte von hier oben den Strand nach dem kleinen Mädchen ab. Weit und breit gab es keine Spur von ihm.
Janice war durch ihr Erlebnis so aufgewühlt, dass sie Dr. Thornberry gleich nach seiner Ankunft davon erzählte. Sie zeigte ihm auch das Bild, das sie von dem Mädchen gemalt hatte. „Ich bin überzeugt, dass es sich bei dem Kind um eine Doppelgängerin der kleinen Maureen handelt, die hier mit ihren Eltern gelebt hat. Jedenfalls gleichen sich die beiden Kinder wie ein Ei dem anderen.“
„Seltsam ist nur, dass keiner das Kind zu kennen scheint“, meinte er nachdenklich, nachdem er sich auch noch das Bild im Gästezimmer angesehen hatte.
„Zuerst dachte ich, ich hätte Maureen gemalt“, sagte sie. „Nur das Mädchen unten am Meer hält dieselbe Puppe in den Armen, wie das Kind auf meinem Bild. Also kann es nicht Maureen sein.“ Sie sah ihn unsicher an. „Ich glaube es wenigstens“, fügte sie leise hinzu. „Es ist...“ Sie schüttelte den Kopf. „Es kann nicht Maureen sein. Maureen ist inzwischen fünfzehn und lebt in London.“
„Wann haben Sie das Kind zum ersten Mal gesehen?“, erkundigte sich Walter.
„An dem Abend, an dem ich hier angekommen bin. Ich stand im Garten und fragte mich noch, wie man ein so kleines Kind allein am Strand herumlaufen lassen kann.“ Janice seufzte auf. „Die ganze Sache ist absolut verrückt.“ Sie schenkte ihm ein etwas gequältes Lächeln. „Ich würde sagen, vergessen wir das Ganze. Erzählen Sie mir lieber, wie es Ihnen in der Zwischenzeit ergangen ist.“
„Das werde ich beim Essen tun“, versprach Dr. Thornberry. Er warf einen letzten Blick auf das Bild, dann verließ er mit Janice das Kinderzimmer und schloss die Tür hinter sich.
Sie fuhren nach St. Vincent und setzten sich zum Lunch auf die Terrasse der ‚Arche‘. Diesmal wurden sie von einem jungen Mädchen namens Norma bedient. Janice fragte es nach Mrs. Attard und erfuhr, dass sie an diesem Tag die Küche übernommen hatte, weil ihr Mann, der meistens kochte, seit dem vergangenen Abend krank im Bett lag.
„Krank?“, mischte sich ein Gast ein, der am Nebentisch saß. „Der gute Brian wird einen über den Durst getrunken haben. Wäre nicht das erste Mal, dass so etwas vorkommt.“ Lachend wandte er sich wieder seinem Essen zu.
„Kennen Sie Mr. Attard gut?“, erkundigte sich Janice, obwohl es eigentlich nicht ihre Art war, fremden Leuten derartige Fragen zu stellen.
„Das kann man wohl sagen“, erklärte der Mann. „Ich bin in Saint Vincent aufgewachsen und mit Brian Attard zur Schule gegangen. Mein Name ist Henry Wiggins. Meinen Eltern hat hier eine Pension gehört. Vor zehn Jahren sind sie gestorben und ich bin nach Liverpool gezogen, um in die Firma meines Schwagers einzutr eten. Saint Vincent ist für mich allerdings nach wie vor das schönste Fleckchen auf der Erde, deshalb verbringe ich hier regelmäßig meinen Urlaub.“
„Das kann ich gut verstehen“, warf Dr. Thornberry ein. „Saint Vincent ist wirklich ein zauberhafter Ort.“
Mr. Wiggins nickte. „Der gute Brian war schon in seiner Kindheit ein Fall für sich und kaum alt genug, eine Bierflasche zu halten, musste er sie auch austrinken. Wir haben uns damals alle gewundert, wie es ein Mann wie er geschafft hat, Anne Gregson zu heiraten. Nun, ich nehme an, sein Machogehabe hat ihr imponiert. Inzwischen dürfte sie ihre Heirat mit ihm bitter bereut haben.“
„Mrs. Attard sieht nicht aus, als hätte sie viel zu lachen“, bemerkte Janice und dachte daran, wie verhärmt Anne meistens wirkte.
„Das kann ich mir auch nicht vorstellen.“ Mr. Wiggins wies zum Haus. „Die Arche hat übrigens ihren Eltern gehört, die vor einigen Jahren gestorben sind. Brians Vater ist Fischer gewesen, ein ziemlich grober Klotz, der in seiner Freizeit Frau und Kinder verprügelte.“ Er tupfte sich mit der Serviette den Mund ab. „Für mich wird es Zeit.“
„Dieser Brian Attard scheint wirklich ein netter Zeitgenosse zu sein“, bemerkte Walter Thornberry ironisch, nachdem Mister Wiggins die Terrasse verla ssen hatte.
„Mir ist er von der ersten Sekunde an unsympathisch gewesen“, sagte Janice. „Seine Frau und die Kinder tun mir leid.“ Sie schaute auf das Meer hinaus und dachte an Edward. Sie waren so glücklich miteinander gewesen. Erneut stellte sie sich die Frage, warum er und David hatten sterben müssen.
Walter legte eine Hand auf ihren Arm. „Ich habe meine Frau und meine
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