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Das Mädchen aus Bernau: Historischer Roman (German Edition)

Das Mädchen aus Bernau: Historischer Roman (German Edition)

Titel: Das Mädchen aus Bernau: Historischer Roman (German Edition) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Charlotte Lyne
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den Unruhestifter: Es war ein Grauschimmel, ein ausnehmend schönes Tier, das vor der Menge scheute und mit wirbelnden Hufen hochstieg.
    Wie es aussah, hatte der Reiter die Kontrolle über sein Pferd verloren. Klein und hilflos wirkte er, wie er sich in die Mähne des Tieres klammerte, das erst buckelte und sich dann wiederum bäumte. Kinder und Hunde flohen quiekend nach den Seiten und versetzten den Schimmel damit in noch größeren Schrecken. Ein beherzter Bursche sprang hinzu und griff ihm in die Zügel. Mit einem kräftigen Ruck brachte er ihn zum Stehen und wandte sich beifallheischend um. Gleich darauf aber stieg das Pferd von Neuem und riss den Mann von den Füßen.
    Mit einem Knall zerriss der Zügel. Im jähen Besitz seiner Freiheit vollführte das Pferd ein paar Galoppsprünge, teilte die Menschenmenge und setzte geradewegs auf Magdas Scharren zu. »Gütige Jungfrau, Mädchen, aus dem Weg mit dir!«, schrie die Bäuerin Brida hinter ihrem Karren und schleuderte eine pralle Blutwurst nach dem durchgehenden Tier. Etwas Törichteres hätte sie kaum tun können. Die Blutwurst platzte dem Schimmel auf der Kruppe, und mit einem Satz, der den Reiter über seinen Kopf schleuderte, schoss er nach vorn.
    Während das Tier quer über den Marktplatz davongaloppierte, landete der Reiter, zum Ball zusammengekrümmt, vor Magdas Scharren. Schlamm spritzte auf. Die Knie des Unglücksraben stießen den größten Krug um, der am Boden zerschellte. Bier ergoss sich ihm über Bauch und Brust, verströmte seinen unverwechselbaren Duft und lockte Raben und räudige Köter an. Einer vergrub die Schnauze in das Haar des Reiters, das golden und füllig unter seiner Kappe hervorquoll. Magda blinzelte mehrmals. Der gestürzte Reiter, zart gebaut und in blassblaue Seide gehüllt, war ohne jeden Zweifel eine Frau.
    »Seid Ihr bei Euch? Könnt Ihr den Kopf drehen?« Magda kniete sich neben der Verunglückten in die Lache aus Schlamm und Bier. »Bleibt nur ruhig liegen. Ich schicke jemanden nach dem Bader, der versteht sich auf Brüche.«
    »Oh nein, oh nicht doch«, stammelte die Frau. »Es sieht viel ärger aus, als es ist, und ich möchte Euch keinen Aufwand bereiten.«
    Dazu ist es ein bisschen spät, dachte Magda. Wer anderen keinen Aufwand bereiten wollte, kam auf klügere Ideen als die, ein kopfscheues Pferd ins Getümmel eines Marktes zu lenken. Aber die Frau war offensichtlich von Adel und brauchte sich an die Regeln gewöhnlicher Sterblicher nicht zu halten. Auf der bierdurchtränkten Seide an ihrem Hals funkelte zwischen golden geschmiedeten Gliedern ein kostbarer Stein.
    An dem Stein blieb Magdas Blick hängen. Sie hatte auch in Bernau schon Adlige samt ihrer Geschmeide zu Gesicht bekommen, doch dieses war anders. Der Goldschmuck war massiv, aber schlicht und der Stein, der ohne kunstvolle Fassung daran hing, ungeschliffen und riesengroß. Es war die Farbe, die Magdas Blick auf sich zog und nicht mehr losließ. Der große Stein schillerte weder in der Klarheit eines Diamanten noch im Rot von Rubinen, sondern in allen erdenklichen Spielarten von Braun. Nie zuvor hatte sie solche Töne an einem Schmuckstück gesehen.
    Magda arbeitete mit Bier, seit sie einen Rührstab halten konnte. Dennoch wurde ihr zum ersten Mal bewusst, wie sehr sie dessen Farbspiel mochte, das je nach Zutat und Gärungsart von hellem Gelb über das warme Feuer von Bernstein bis zu tiefsten dunkelsten Erdfarben jede Schattierung annehmen konnte. Teile fügten sich zusammen. Er hat schwarze Augen wie ein welscher Verführer, glaubte sie ihren Bruder wettern zu hören und begriff, warum ihr das von Anfang an falsch erschienen war. Schwarz war die Farbe der Nacht und der Angst, aber Thomas’ vor Wärme funkelnde Augen hatten ihr nie Angst gemacht. Sie waren ihr vertraut, weil sie die tausendfaltigen Farben von Bier besaßen. So wie dieser Stein, der für ein Schmuckstück viel zu groß und zu seltsam geformt war.
    »Oh, gefällt Euch mein Amulett?« Ein wenig ungelenk und mit leisem Ächzen setzte die Reiterin sich auf. »Es ist ein Achat. Er soll vor den Stürmen des Lebens und vorm Verdursten schützen. Und davor, in der Welt allein zu sein.«
    Magda musste sich beherrschen, um nicht die Hand auszustrecken und den Stein zu berühren. Ohne Federlesens löste die Reiterin den Verschluss in ihrem Nacken und hielt Magda das funkelnde Schmuckstück entgegen. »Seht ihn Euch ruhig an. Sonderlich wertvoll ist er nicht. Aber schön, nicht wahr?«
    Eine Antwort fiel

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