Das Mädchen aus Bernau: Historischer Roman (German Edition)
Magda nicht ein. Auf die Schönheit des Steins passte kein Wort, und dass er der Frau nicht wertvoll erschien, tat ihr weh. Hastig wandte sie sich ab, um vor der Fremden nicht wie eine dumme Gans in Tränen auszubrechen. Eine Weile lang hielt jene ihr das Kleinod noch hin, dann begriff sie wohl, dass Magda es nicht länger sehen wollte, und steckte es in ihren Beutel. »Ein Freund hat ihn mir geschenkt. Weil ich ihn unbedingt wollte.«
Magda schwieg und drehte sich weg.
»Habt Dank, dass Ihr mir geholfen habt«, sagte die Fremde.
»Ich habe Euch nicht geholfen«, erwiderte Magda patzig. »Aber die Stadtknechte haben inzwischen Euer Pferd eingefangen. Wenn Ihr Euch nichts gebrochen habt, könnt Ihr weiterreiten, doch steigt Ihr lieber hinter dem Platz, in einer ruhigen Gasse auf. Wer sein Pferd nicht beherrscht, der tut besser daran, Lärm und Gemenge wie dieses zu meiden.«
»Oh ja, oh ja.« Die junge Frau schlug sich die Hände vors Gesicht. »Ihr müsst mich für eine entsetzliche Reiterin halten, dabei bin ich in Wahrheit gar nicht so schlecht. Hidalgo und ich sind einander nur noch fremd, und er hat monatelang im Stall gestanden, das bekommt einem Hengst nicht gut.«
»Ich halte Euch für gar nichts«, entgegnete Magda. »Ich bin Brauerin. Vom Reiten verstehe ich nichts.«
»Brauerin seid ihr?« Die Augen der Frau weiteten sich und musterten Magda mit unverhohlener Neugier. Sie waren von demselben zarten Blau wie ihr Kleid, dessen Wert nicht zu übersehen war, obgleich es vom Saum bis zum Hals mit Dreck und Bier bespritzt war. »Die Brauerin Magda aus Bernau?«
»Die bin ich.«
»Was für ein Zufall!«, rief die andere. »Euretwegen habe ich den armen Hidalgo auf diesen Platz gelenkt, und dann purzle ich ausgerechnet Euch vor die Füße und schlage auch noch Euren schönen Krug kaputt. Für den Schaden werde ich selbstverständlich aufkommen. Ihr gestattet, dass ich mich vorstelle?«
»Das ist nicht nötig«, knurrte Magda, der abwechselnd heiß und kalt war, vermutlich weil sie mit dem Hintern in einer Schlammpfütze saß. Eilig erhob sie sich. »Weshalb wolltet Ihr zu mir? Hat Euch jemand mein Bier empfohlen?«
»Um ehrlich zu sein – ich wollte Euch gern sehen.« Die Frau stand ebenfalls auf. Sie war eine Schönheit, selbst zerrauft und von Kopf bis Fuß verdreckt. Eine goldschimmernde Elfe im Vergleich mit Magda. Sie streckte ihr die grazile Hand hin, die aus zerfetzter blauer Seide ragte. »Ich bin Afra von Parstein. Bitte entschuldigt meinen unangemessenen Auftritt. Ich komme in keiner bösen Absicht.«
Magda kannte keine Afra von Parstein, sie kannte überhaupt keine Menschen von Adel, die auf ihren Burgen und Herrensitzen hausten und vom Leben in den Städten so weit entfernt waren wie der Himmel vom Brandenburger Sand. Dennoch weckte der Name eine Erinnerung, rührte an eine Saite und jagte die heißen und kalten Schauer in noch schnellerem Wechsel über ihren Rücken.
Sie schlug nicht in die Hand ein. »Da sind die Leute mit Eurem Pferd. Wenn Ihr mir weiter nichts zu sagen habt, ginge ich gern an meine Arbeit zurück, damit nicht der ganze Tag verloren ist.« Tatsächlich waren die beiden Stadtknechte, die den Grauschimmel mit vereinten Kräften im Zaum hielten, in einiger Entfernung stehen geblieben und warfen Magda fragende Blicke zu. Zweifellos wollten sie der hohen Frau alles recht machen, um hinterher umso fürstlicher entlohnt zu werden.
»Oh nein, oh nein!«, rief die Frau und schlug sich erneut vor Verlegenheit die Hände vors Gesicht. Im Grunde hatte ihre hilflose Art etwas Liebenswertes, doch Magda wünschte sich lediglich, sie so schnell wie möglich loszuwerden. »Der Tag darf Euch nicht verloren sein, Magda. Es ist Euch doch recht, wenn ich Euch Magda nenne? Ich will für jeglichen Verlust aufkommen, und den Krug ersetze ich Euch natürlich auch.«
Sie begann, an dem Beutel, in den sie den Stein gestopft hatte, zu fingern, doch Magda hob die Hand. »Ich will von Euch nichts ersetzt. Ich will wissen, warum Ihr gekommen seid, und dann in Frieden weiter mein Bier verkaufen.«
»Euer Bier habe ich bereits rühmen hören«, erwiderte die Fremde. »Mein Gatte schenkt Bier an sein Gesinde aus. Vielleicht könnten wir es künftig von Euch beziehen? Ihr beliefert doch Burgen? Nach Parstein ist es auf dem Wasserweg nicht allzu weit, und mein Gatte ist ein sehr freundlicher Herr, der mir den Wunsch nicht abschlagen wird.«
»Nein, ich beliefere keine Burgen«, blaffte Magda zurück
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