Das Mädchen aus Bernau: Historischer Roman (German Edition)
und wusste, dass Utz sich die Haare gerauft hätte. Hatte sie nicht für Diether und den Großvater zu sorgen? Ein Geschäft mit der Adligen mochte ihr Auskommen für den gesamten Winter sichern, und mit der Arbeit würden sie schon fertig werden. In Bernau hatten sie eine Burg beliefert. Natürlich hatten sie damals zu sechst in der Brauerei gestanden, doch sie hatte schon andere Wunder möglich gemacht, und wenn Geld hereinfloss, konnten sie eine Hilfe einstellen. Warum also nahm sie das Angebot der Frau nicht an? »Ich beliefere arme Schlucker, die hier auf dem Markt ein bisschen saufen und ihr elendes Leben vergessen wollen«, sagte sie nadelspitz zu der Elfenfrau.
»Oh«, war alles, was der Adligen einfiel. Gleich darauf aber fing sie sich. »Ich kann verstehen, dass Ihr zornig auf mich seid oder mich für krank im Geiste haltet. Darf ich dennoch versuchen, mich zu erklären? Jemand, den wir beide kennen, hat mich wissen lassen, wo ich Euch finde. Nein, kein Schwatzmaul, das Euch übel will, sondern ein braver Mann, der mir von Zeit zu Zeit behilflich ist, weil er ein weiches Herz hat und um meine Not weiß.«
Ich will um deine Not nicht wissen, flehte Magda stumm. Um alles in der Welt, verschone mich damit.
»Ich habe jenen Mann gebeten, mir Euren Namen zu nennen, weil er mir sagte, dass Euch ein einstiger Freund von mir bekannt ist. Seither habe ich mir gewünscht, Euch kennenzulernen.« Die junge Frau senkte die Stimme und zugleich den Blick. »Darf ich Euch bitten, mich wissen zu lassen, ob es ihm gut geht, jenem … Freund von mir?«
»Woher sollte ich Eure Freunde kennen?«, fragte Magda, doch ihre Stimme zitterte. Sie kannte die Antwort der Frau, noch ehe diese den Mund auftat.
»Er lebt als Postulant im Grauen Kloster. Thomas Alvensleben. Ein großer, schöner Mann mit schwarzem Haar und Augen wie aus leuchtendem Achat.«
Magda war sicher, sie hatte noch nie einen Menschen etwas in so traurigem Ton aussprechen hören. Die Stimme der Adligen klang auf einmal nicht mehr jung, sondern gänzlich erloschen. Es war diese Traurigkeit, die sie veranlasste, der anderen ein paar freundlichere Worte hinzuwerfen: »Ja, ich denke, es geht ihm gut. Er ist gesund, ihm fehlt nichts.«
»Wahrhaftig nicht?« Die Frau trat auf Magda zu und lehnte einen Herzschlag lang die Wange an ihre. »Ihr wisst nicht, was für einen Dienst Ihr mir damit erweist.«
Ich fürchte, ich weiß es besser, als ich es jemals wissen wollte, dachte Magda.
»Und nicht nur mir«, fuhr die Frau fort. Erst jetzt sah Magda, dass in ihren blauen Augen Tränen glitzerten. »Ich möchte Euch nicht noch einmal kränken, indem ich Euch Geld anbiete. Aber gibt es vielleicht einen anderen Weg, Euch Eure Hilfe zu vergelten?«
Magdas eigene Augen waren knochentrocken. Nur ihr Herz raste. Jetzt weiß ich, warum du hinter Klostermauern hockst. Das Herz hämmerte ihr gegen die Rippen. Weil du die da nicht haben konntest, weil sie dich abgewiesen und einen vom selben Stand geheiratet hat. Und jetzt weiß ich auch, warum Magda aus Bernau, die kleine deftig Verwürzte, dich aus deinem Gefängnis nicht herauslocken und halten konnte. »Geld kränkt mich nicht«, sagte sie kalt zu der Elfe. »Gebt mir, was Ihr meint, mir zu schulden, und geht.« Sie streckte die Hand aus, wie die Huren es taten.
Augenblicklich begann die Frau wieder, an ihrem Beutel zu nesteln, förderte eine Handvoll Münzen zutage, denen man das schiere Silber ansah, und legte Magda eine um die andere in die Hand. Zwischendurch blickte sie auf, um mit Blicken zu fragen, ob es nun wohl genug sei, aber Magdas Gesicht blieb ausdruckslos. Von dem Geld konnte sie vermutlich ihr gesamtes Kontor mit Krügen füllen, aber das würde sie nicht tun. Sie konnte Utz die Reise in das sonnenüberflutete Hügelland bezahlen oder Diether ein ganzes Jahr im Rausch, doch auch das würde sie nicht tun. Sie würde die Münzen verstecken und für sich allein behalten, auch wenn sie nicht im Mindesten wusste, was sie damit anfangen sollte. Sie hatte es verdient. Es war ihr Hurenlohn, und kein anderer hatte ein Recht darauf.
Als in dem zarten Händchen kein Silbergroschen mehr übrig war, fragte die Frau: »Wird das genügen? Mehr trage ich nicht bei mir, aber ich könnte …«
»Nicht nötig. Das genügt.« Magda steckte die Münzen ein und forderte die Stadtknechte durch ein Kopfnicken auf, das Pferd heranzuführen. »Guten Heimweg.«
»Eine Bitte noch – eine letzte.«
Magda stimmte weder zu noch lehnte
Weitere Kostenlose Bücher