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Das Mädchen aus Bernau: Historischer Roman (German Edition)

Das Mädchen aus Bernau: Historischer Roman (German Edition)

Titel: Das Mädchen aus Bernau: Historischer Roman (German Edition) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Charlotte Lyne
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Blut verreckte, nie wieder, nie im Leben wieder . In seinem Kopf begannen Bilder sich mit solcher Geschwindigkeit umeinanderzudrehen, dass er das Gleichgewicht verlor und auf die Knie stürzte. Würgend und keuchend übergab er sich aufs Pflaster. Als jemand ihm auf die Hand trat, spürte er kaum einen Schmerz.
    Zwischen Beinen, die vor ihm aufragten, sah er, wie der Propst zu Boden ging. Seine sahneweiße, kostbar bestickte Kasel färbte sich im Handumdrehen rot. Der nächste Hieb mit dem Knauf traf Nikolaus’ Gesicht. Als der Stock heruntersank, war es als Menschengesicht nicht mehr kenntlich. Blut schoss aus den Öffnungen, die Augen, Nase und Mund gewesen waren. Diether wollte sich abwenden, doch nicht einmal dazu genügte seine Kraft. Seine Stirn berührte den Boden, und dann umfing ihn die gnädige Schwärze, nach der er sich verzweifelt gesehnt hatte.
    Als er zu sich kam, packten ihn kräftige Arme an den Schultern und zerrten ihn in die Höhe. Qualm und Gestank stiegen ihm in die Nase, dass ihn die Übelkeit sogleich von Neuem überfiel. Es stank zum Gotterbarmen, nach versengtem Fett und verkohltem Haar, so wie draußen vor der Stadt, wo der Blutvogt die Kadaver von Tieren verbrannte. Was war geschehen? War womöglich einer von den Kötern, die überall herumstreunten, an einer Wurstbraterei ins Feuer geraten? Als Diether an sich hinuntersah, wurde ihm mit einem Schlag kalt. Zum dritten Mal in seinem Leben erwachte er aus einer Ohnmacht, und sein Hemd war vom Saum bis zum Kragen blutverschmiert.
    Regen fiel in silbrigen Fäden. Das Gedränge hatte sich dem Anschein nach aufgelöst, doch um Diether und die Männer, die ihn hielten, hatte sich ein Ring aus schweigenden Gaffern gebildet. Der harte Griff tat seinen Schultern weh. Er wollte sich befreien, doch die Männer bogen ihm die Arme auf den Rücken. »Also los jetzt?«, vernahm er ein Stück hinter sich eine schneidende Stimme. »War’s der?«
    »Könnt schon sein.«
    »Ich hab nichts gesehen.«
    »Gut möglich, dass er’s gewesen ist.«
    »Einen mächtigen Stock hatte der. Und sah aus wie ein Wilder. Ganz rote Augen und zerrauftes Haar.«
    »Ja oder nein will ich hören, verstanden?«, unterbrach die schneidende Stimme das Gemurmel. »Ist der’s gewesen? Du da – gib Antwort!«
    Der Angesprochene, den Diether nicht sehen konnte, gab nur ein Räuspern von sich. Das Klatschen einer Backpfeife folgte. »Maul auf! Oder sollen wir dich mitnehmen?«
    »Nein, nein!«, wimmerte der Befragte, dessen Stimme Diether bekannt vorkam.
    »Was heißt nein, nein – war’s der also nicht?«
    »Nein, ihr sollt mich nicht mitnehmen, heißt’s. Nehmt den da mit. Der da hatte den Stock. Der muss es ja dann wohl gewesen sein.«

VIERTER TEIL
    Berlin, Brandenburg
August – Oktober 1325
    »Schaut auf diese Stadt.«
    Ernst Reuter

26
    Es war ein schlechter Tag gewesen.
    Müde schob Magda ihren Karren, auf dem die Kannen mit unverkauftem Bier schaukelten, durch Schlammfurchen nach Hause. Schon am Vormittag waren kaum Kunden auf dem Olden Markt unterwegs gewesen, und am Nachmittag hatte Regen eingesetzt und die wenigen übrig gebliebenen auch noch vertrieben.
    »Ich sag dir, die sind heute alle bei der Marienkirche«, hatte Brida zu ihr herübergetuschelt. Die Bäuerin hatte ihren Wagen neben Magdas Scharren gerollt, da die Händler zwischen ihnen längst das Weite gesucht hatten. Gemeinsam starrte sie durch die Fäden des silbernen Regens über den ausgestorbenen Platz. »Wollen doch alle den Propst hören, den aus Bernau.«
    »Der predigt hier? Propst Nikolaus Cyriacus?«
    Brida nickte gewichtig. »Ein ganz scharfer Hund soll der sein, den Leuten in den Ohren liegen, dass die was geben sollen, für den Papst in Avignon. Bloß, wer nichts hat, der kann nichts geben, oder? Das Wetter setzt uns von Jahr zu Jahr böser zu, die Ernte ersäuft und verfault, aus dem versumpften Land steigen giftige Dämpfe, und das Vieh wird krank und verreckt. Was sollen wir da geben?«
    »Nichts«, antwortete Magda, die sich auch fühlte wie eine, die nichts mehr zu geben hatte.
    »Sollten die Kirchenoberen nicht lieber mal ein Lob springen lassen?«, fuhr Brida keck fort. »Dafür, dass wir den Kopf oben behalten und uns das Leben nicht vergällen lassen? Der Allmächtige, denk ich, wird schon wissen, dass man einem nackten Mann in keinen Beutel fassen kann. Und der wird auch zufrieden sein, dass wir uns das, was uns gegeben ist, aufladen und das Beste draus machen, mein Wentzel und

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