Das Mädchen aus Bernau: Historischer Roman (German Edition)
als Novize in den Orden der Minoriten aufgenommen zu werden?«
Thomas zögerte nur einen Herzschlag lang, ehe er nickte. »In Gransee, wo ich vorsprach, sagte man mir, ich habe mich an Euch zu wenden.«
Pater Martinus nickte. »Ihr wisst demnach, dass ich Euch auf Euer Gewissen zu befragen und danach zu entscheiden habe, ob ich Euch für geeignet befinde, ein Leben innerhalb unseres Ordens zu beginnen? Als Postulant würdet Ihr unserer Gemeinschaft angehören, obgleich Ihr noch kein Gelübde abgelegt habt. Ich denke, es ist verständlich, dass solcher Schritt Vertrauen erfordert und dass wir dieses Vertrauen mit Vorsicht verschenken.«
»Selbstverständlich.« Thomas’ Schultern, Magen und Schädel schienen sich einen Kampf darum zu liefern, ihm den heftigsten Schmerz zu bereiten. Um alle drei zu übertrumpfen, biss er sich auf die Lippen, bis er Blut schmeckte. Nur gegen den Schwindel kam er nicht an. Er konnte lediglich hoffen, dass er nicht allzu sichtlich auf dem Schemel schwankte.
»Euer inniger Wunsch ist es somit, Euch Eures irdischen Besitzes zu entäußern, die, die Euch auf Erden angehören, zu verlassen und in apostolischer Armut Jesu nachzufolgen, gemäß dem Vorbild des heiligen Franziskus?«
Beim Nicken warf ihn der Schwindel fast vom Schemel. Er krallte die Hände in die Schenkel, um unbewegt sitzen zu bleiben.
»Ihr seid der Sohn eines begüterten Mannes. Der Erstgeborene?«
»Der Einzige«, erwiderte Thomas bitter.
»Der Erbe also. Und Ihr seid außerdem – vergebt mir die Feststellung – ein Mann, der bei der Weiblichkeit nicht eben auf Abneigung stoßen dürfte. Ich gebe zu, es wundert mich, dass ausgerechnet ein solcher Mann um Aufnahme in einen geistlichen Orden nachsucht. Gebt mir ein wenig Erklärung dazu. War Euch von klein auf eine drängende Sehnsucht nach Gott eigen, eine innere Suche und Abkehr von weltlichem Getümmel?«
»Nein«, antwortete Thomas und fragte sich, warum er dem Mann die Wahrheit sagte, wo es so viel einfacher gewesen wäre zu lügen. Hatte ihn der törichte Zwang, die Wahrheit zu sagen, nicht in den Abgrund gestoßen, in dem er sich jetzt suhlte?
»Also nicht.« Der Provinzialminister setzte ein Schriftzeichen auf das Pergament, das ausgebreitet auf dem Pult lag. Zweifellos hatte er in diesem Augenblick bereits entschieden, Thomas’ Gesuch abzuweisen. »Mögt Ihr mir erzählen, was Euch sonst antreibt, der Welt zu entsagen und ein Leben in der Nachfolge Jesu anzustreben?«
»Nein«, erwiderte Thomas noch einmal, ohne seine eigene Dummheit zu begreifen.
»Nun gut.« Der Franziskaner legte eine Pause ein und schrieb noch etwas auf das Pergament, ehe er von Neuem anhob: »Ich habe Euch jetzt noch zu fragen, was Euch bewogen hat, gerade in unserem Orden um Aufnahme nachzusuchen, nicht in einem der anderen, deren Anteil an weltlicher Macht ungleich größer ist.«
Als Antwort auf diese Frage hatte er sich eine Lüge zurechtgelegt, doch auch diesmal scheiterte er an dem Versuch, sie auszusprechen. Es war, als zerplatzten ihm die vorbereiteten Worte auf der Zunge, ehe er sie dem anderen entgegenstoßen konnte. Genauso war es damals gewesen, unter dem Dach der Laube, und genauso war es ihm zum Verhängnis geworden.
»Lasst mich die Frage anders formulieren«, sagte Pater Martinus. »Steht Eurer Nachfolge Jesu womöglich ein Hindernis im Wege, das Euch die Tore eines anderen Ordens verschließt?«
Thomas zuckte zusammen wie geohrfeigt. Und so wie er als Knabe gegen jede Ohrfeige aufbegehrt hatte, schüttelte er jetzt alle Schwindelgefühle ab und sprang auf. »Was wollt Ihr damit sagen?«
»Was immer Ihr hineinlegt«, erwiderte Bruder Martinus unerschütterlich. »Im schlimmsten Fall mag hinter der Frage stehen: Ist über Euch die Exkommunikation ausgesprochen worden, habt Ihr eine Sünde begangen, die Euch der Heiligen Mutter Kirche verweist?«
Sein Vater hatte ihn niemals geohrfeigt, nur einer seiner Lehrer, der kein Recht dazu besaß. Damals hatte er sich in die Brust werfen und fordern können, dass der Lehrer ihn reuig um Verzeihung bat. Jetzt aber musste er den Schlag einstecken. Die Empörung verpuffte, und stattdessen spürte er das Gewicht der Scham. »Nein, Ehrwürdiger Vater«, sagte er und senkte den Kopf.
»Setzt Euch wieder nieder. Ich frage Euch dies, um Euch zu versichern, dass kein Urteil, das ein kanonisches Gericht über Euch verhängt hat, Eurem Eintritt in den Orden entgegenstehen muss. Wir Minoriten haben die Erlaubnis, reuigen Sündern
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