Das Mädchen aus Bernau: Historischer Roman (German Edition)
schuften, solange nur der Papst seinen Peterspfennig einsackt und die Klöster immer reicher und mächtiger werden. Pater Honorius hört in dieser Stadt das Gras wachsen, und sein Jähzorn ist allseits bekannt. Wenn er nun fürchtete, Endres mit seinem Eifer und seiner Lernwilligkeit würde dem Kloster die Kunden abwerben, mag er den Mord als einen Akt im Dienste Gottes betrachtet haben. Nicht anders als der Papst mit seinem schändlichen Krieg.«
»Glaubst du das wirklich?«, fragte Magda fassungslos.
»Ich weiß nicht, was ich glauben soll«, gestand Utz. »Aber dass mein Bruder Diether kein Mörder ist, weiß ich. Und weshalb sollte er lügen und ausgerechnet Pater Honorius beschuldigen? Was brächte ihm das ein?«
Damit hatte Utz zweifellos Recht. Kaum ein anderer würde so schwer zu belangen sein wie der mächtige Kleriker. Der hingegen zog aus seiner Schandtat reichlich Nutzen: Dass die Leute neuerdings einen Bogen um Harzers Brauerei machten, kam allein dem Kloster zugute, denn Linhart war so gut wie ruiniert und nicht in der Lage, den Bedarf an Bier zu decken. Wiederum tat es Magda leid, ihn verdächtigt zu haben. »Aber Utz«, rief sie, »wenn der Pater Endres getötet hat, dann müssen wir es dem Rat sagen! Es mag Mühe kosten, aber letzten Endes wird ihnen keine Wahl bleiben, als ihn aus dem Kloster zu holen und vor Gericht zu stellen. Endres’ Tod wird gesühnt, und Diether gewinnt seinen guten Namen zurück!«
Voll Bedauern sandte Utz ihr einen Blick. »Ich wünschte, so ließe es sich machen«, sagte er. »Doch das Recht in diesem Land sieht anders aus. Die Pfaffen hinter ihren Klostermauern sind vor dem Arm der weltlichen Gerichtsbarkeit geschützt. Was glaubst du, täte der Papst, wenn er zu hören bekäme, dass hier ein Würdenträger der Kirche wegen Mordes an einem lumpigen Braugesellen hingerichtet würde? Er ließe seine Polen nach der Neumark auch noch uns dem Erdboden gleichmachen. Und was, glaubst du, wird der Rat uns erzählen, wenn wir als Geschwister des Verdächtigen vorsprechen und Pater Honorius beschuldigen? Wir können froh sein, wenn sie uns nur mit Spott übergießen und nicht wegen Verleumdung an den Pranger stellen.«
Magda mochte sich damit nicht abfinden. Dass in der Welt Gerechtigkeit herrscht, daran hatte sie immer geglaubt. Da sie darauf bestand, vor dem Rat Klage zu erheben, sah sich Utz gezwungen, sie in die Gerichtslaube zu begleiten. Es kam, wie er befürchtet hatte. »Ich hege noch immer Achtung und Mitleid für Seyfrid Harzer, der an der Schande seiner Enkel keine Schuld trägt«, erklärte Hinz Fassner, der Stadtschultheiß, der so manches Mal in der Stube der Harzers beim Bier gesessen hatte. »Andernfalls würde ich nicht zögern, euch beide vom Scharfrichter an den Pranger stellen zu lassen für die infame Lüge, die ihr über einen heiligen Mann verbreitet. Geht und lasst euch nicht wieder blicken, ehe ich mich eines andern besinne.«
Die Verletzung saß tief. Wer an den Pranger gestellt oder überhaupt durch den Scharfrichter bestraft wurde, verlor seine Ehre, und dass ihre Stadt ihr mit solcher Erniedrigung drohte, vermochte Magda nicht zu begreifen. Utz hatte Recht. Bernau war nicht mehr ihre Heimat. Dass Diether, dem es versagt blieb, seinen Namen reinzuwaschen, mehr und mehr dem Trunk verfiel, konnte sie ihm nicht zum Vorwurf machen. In Berlin aber, wo niemand ihn kannte, mochte es gelingen, ihn zu sich selbst zurückzubringen.
Sie war es Endres schuldig, um das Leben der Familie zu kämpfen. Ihm war das seine geraubt worden, wie durfte sie das ihre da wegwerfen? So leer und trostlos es in ihr auch aussah, sie hatte kein Recht, klein beizugeben. Zudem war sie nicht imstande, sich damit abzufinden, dass Endres’ Tod ungesühnt blieb. Utz war sicher, es als Händler recht bald zu Einfluss und Ansehen zu bringen, und dann würde kein Richter ihnen mehr mit dem Pranger drohen, sondern wäre gezwungen, ihnen Gehör zu schenken. Allein dafür lohnte es sich weiterzuleben.
Noch einmal drehte sich Magda nach dem Haus um, in dem sie mit Endres glücklich gewesen war. Eines Tages erlange ich Gerechtigkeit für dich, schwor sie ihm stumm. Eines Tages, mein Endres, wird dein Mörder für seine Tat bezahlen.
Das Haus gehörte ihnen schon nicht mehr. Utz hatte es samt seiner Kessel, Fässer und dem meisten Hausrat einem Brauer aus dem Umland verkauft. Vom Erlös hatte er Schulden beglichen, einen Grundstock an Waren und zum stolzen Preis von acht Mark ein Pferd
Weitere Kostenlose Bücher