Das Mädchen aus Bernau: Historischer Roman (German Edition)
Macht an die Tische der Gewürzhändler zog. Der überreife, schon an Sterblichkeit gemahnende Zauber fremdländischer Rosen, das Feuer von Orangen, das harzige Geheimnis eines Nadelwaldes und die süße Verführung von Zimt. Flüchtig glaubte er fast, sich nach der Brauerei zu sehnen. Die harte Arbeit mit Korn und Malz war nie das Seine gewesen, doch die spielerische Suche nach Geruchs- und Geschmacksnoten hatte ihm stets Vergnügen bereitet.
Das hochgewachsene Mädchen, das ihn begrüßte, trug einen Leinenkittel, der gerade eben ihre Knie bedeckte. Wie zum Ausgleich fiel ihr dunkles Haar dafür bis auf ihre Hüften hinunter, nur von einem Netz gehalten. Große, dunkellockige Frauen machten Diether schwach. Wenn diese Schönheit dem Hans gehörte, würde er gleich den ersten Tag ihrer Freundschaft mit einem Betrug beginnen müssen.
»Du bist der Zugereiste, der beim Hans bezahlt, richtig?«, fragte das Mädchen.
Diether ließ seinen Blick an ihrer Vollkommenheit hinauf- und hinabgleiten. »Du sagst es. Der bin ich. Und du selbst? Die Ursel?«
Das Mädchen lachte und bleckte nahezu schadlose Zähne. »Meinetwegen bin ich auch die Ursel. Mir soll es recht sein.«
Sie führte ihn die Stiege hinauf und wies ihm einen durch eine Holzwand abgeteilten Winkel zu. »Dort hinein zum Entkleiden. Hans hat gesagt, ich soll mich gleich ein wenig um deine Kleider kümmern.«
Kümmere dich lieber um das, was aus den Kleidern herauskommt , dachte Diether, aber er hatte ja Zeit, und wenn ihm die Ursel die ärgsten Flecken aus Hemd und Hosen rieb, würde er sich nicht beklagen. Gehorsam reichte er ihr die Stücke und folgte ihr so, wie Gott ihn in einem lächelnden Augenblick geschaffen hatte, in die Badestube.
Zu seiner Überraschung saßen in den gefüllten Zubern nur Männer. Ursel lachte. »Hier wird gebadet. Nichts weiter. Was du dir sonst noch wünschst, lässt sich ja bereden, wenn die Schmutzkruste herunter ist.« Sie hauchte einen Kuss in die Luft, dann füllte sie aus einer Kanne dampfend heißes Wasser in seinen Zuber und zog sich zurück. Der Wohlgeruch übermannte ihn. Nun gut, wenn es hier so Sitte war, würde er eben erst sein Bad im süßen Wasser und hinterher im Ozean der Liebe genießen. Er stieg in den hölzernen Bottich, lehnte sich zurück und vergaß, dass es Sorgen gab.
Drei volle Stunden lang ließ er seinen Leib, der nach Verwöhnung gelechzt hatte, in dem Badezuber weichen. Von Zeit zu Zeit erschien Ursel, um heißes Wasser nachzufüllen oder den Badenden gewürzten Wein und Süßigkeiten zu servieren. Manche ließen sich von ihr den Rücken mit Bürsten bearbeiten, und einmal tauchte Hans auf, der Diether mit wahrer Meisterschaft den Bart schor und das Haar nachschnitt. Was Diether in der Zeit dazwischen über die Stadt Berlin und die Lage im Land lernte, hätte er außerhalb dieser Wände in Wochen nicht erfahren.
Die Männer in den anderen Zubern schwatzten, was das Zeug hielt. Den neben seinem teilte sich eine Gruppe von fünf Handwerksmeistern, deren Mundwerke wie Mühlenräder klapperten. Um König Ludwig ging es, der ja ein ausgemachtes Schlitzohr sein mochte, aber immerhin König und Landesherr und dessen Sohn schon noch ein rechter Brandenburger werden würde. »Der Ludwig wird nicht haltmachen, ehe er zum Kaiser gekrönt ist«, prophezeite einer, dem Schweiß die roten Wangen hinunterströmte. »Notfalls, so muss wohl befürchtet werden, auch ohne den Papst.«
»Ohne den Papst? Das wäre mal was, oder etwa nicht?« Der Mann zu seiner Linken, der trotz sichtlicher Jugend völlig kahlköpfig war, patschte vor Vergnügen aufs Wasser.
»Wie immer er’s anstellt, uns soll es recht sein«, bekundete das Rotgesicht. »Von Ludwig bekommen wir die Erweiterung unserer Stadtrechte, die Handelsprivilegien, die wir brauchen, wenn’s hier vorangehen soll. Geben uns die vielleicht die Herren der Kirche? Gar der Papst in seinem Avignon?«
»Nie und nimmer!«, rief sein glatzköpfiger Gefährte kämpferisch. »Für den Papst sind wir doch nur ein dicker Hintern, den er schröpfen kann, bis die Schwarte kracht.«
Über den Vergleich musste Diether lachen.
Die fünf Badenden drehten sich nach ihm um. Der Kahlkopf war sichtlich stolz auf seinen Erfolg.
»Ja, ja, in unserem Petter steckt ein rechter Rebell«, bemerkte der Rotgesichtige. »Der hat kein gutes Haar auf dem Kopf, und an den Pfaffen lässt er auch keines.«
Vielstimmiges Gelächter folgte.
»Wie lautet denn Eure Ansicht zu der Frage?«,
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