Das Mädchen aus Bernau: Historischer Roman (German Edition)
wollte der junge Glatzkopf von Diether wissen. »Haltet Ihr’s mit den Wittelsbachern, die von Rechts wegen unseren Markgrafen stellen, oder mit dem Luxemburger, den uns die Kirche mir nichts, dir nichts vorsetzen will?«
»Mit wem auch immer ich es halte«, konterte Diether, ohne nachzudenken, »vorsetzen lasse ich mir nichts! Schon gar nicht von Pfaffen, die nie mit eigener Haut gespürt haben, wie es sich lebt in der Welt.«
»Applaus, Applaus!«, rief der Glatzkopf, und tatsächlich begannen die vier übrigen in die Hände zu klatschen. »Das ist einmal eine Antwort, die eines Städters würdig ist, oder etwa nicht? Jawohl, wir sind freie Bürger einer täglich erstarkenden Stadt, wir lassen uns keine Vorschriften machen. Wenn mir vom Altar gepredigt wird, ich soll mein Geld nicht ins Badehaus und zu den Huren tragen, bleibt es ja immer noch mein Geld im Beutelchen, mein dreckiger Hintern, der mich kratzt, und mein Gemächt, das mich juckt.«
In das grölende Gelächter, das aufklang, stimmte Diether erneut mit ein. Dass ihm das noch einmal widerfuhr, hätte er nicht zu träumen gewagt: Menschen, die ihm mit Achtung begegneten, die seine Meinung schätzten und seine Gesellschaft regelrecht genossen.
»Und woher stammt Ihr?«, fragte einer seiner neuen Bekannten, bei denen es sich, wie er im Laufe des Gesprächs erfuhr, um drei Kürschner und zwei Bäckermeister handelte. »Nicht vom Dorf, das merkt man sofort. Und ohne Zweifel bis ins Mark ein Brandenburger!«
»Aus Bernau«, stimmte Diether zu und gab eine geschönte Fassung seiner Geschichte zum Besten: Mit seinen Brüdern habe er kürzlich sein Handelsgeschäft nach Berlin verlegt, da er sich hier mehr freiheitliche Rechte und mehr Möglichkeiten zum Aufstieg erhoffe.
»Recht so, recht so«, lobte der Kahlkopf, der sich als Petter Tietz – »jung an Jahren, doch Erbe der feinsten Bäckerei am Platze« – vorstellte. »So machen’s jetzt viele, selbst die aus Spandau, die sich ja immer für was Besseres hielten. Und wenn Ihr mich fragt, passt es, oder etwa nicht? Mit unserm Berlin geht’s voran, also brauchen wir mehr Hände, die zupacken. Und besser wir bekommen unsere eigenen Leutchen her als das fremde Volk aus dem Rheinischen, das so mancher hier gern ansiedeln würde. Was nun Freiheit und Rechte betrifft, so muss man Euch zustimmen. Hier ließe es sich wahrlich leben – wenn nur das ewige Gezänk der Pfaffen nicht wäre!«
»Das habt Ihr in Bernau ja selbst«, warf das Rotgesicht ein. »Dieser Propst Nikolaus, das ist der schärfste Hund von allen.«
»Ohne Frage«, stimmte Petter Tietz ihm zu. »Den möcht ich einmal zwischen die Finger bekommen, ich glaub, den ließe ich halb mahlen, halb schroten und machte gesalzene Brezelchen aus ihm.« Der Bäcker rieb sich den Wanst, der im Gegensatz zum Kopf kräftig behaart war, ehe er fortfuhr: »Aber ein Bierchen braut Ihr da unten in Bernau, das macht Euch auch bei uns keiner nach.«
Mit der Faust patschte er in Diethers Zuber, dass das Wasser aufspritzte, und sie lachten wie alte Freunde. Gleich darauf kam Ursel mit den Kannen und bereitete ihnen einen Dampfaufguss, bis sie keuchend und schweißtriefend über den Holzwänden hingen. Diether verspürte Bedauern, als die schöne Maid schließlich neue Gäste in die Stube schob und er und seine Bekannten ihr Bad beenden mussten. »Wir treffen uns an jedem zweiten Donnerstag hier – nach dem Markt am Mühlendamm, wann immer der Bader das Wasser heiß hat«, erklärte der rotgesichtige Kürschner. »Würde uns freuen, Euch wieder einmal anzutreffen – wenn man sich nicht schon vorher in der Stadt über den Weg läuft.«
»Allerdings!«, fügte der junge Tietz fröhlich hinzu. »Ein Mann, der den Mut hat, gegen die Pfaffen die Gosch aufzuklappen, der passt zu uns wie das Fäustchen aufs Auge.«
Diethers Kleider lagen sauber ausgebürstet über der Trennwand. Er kam sich wie ein neuer Mensch vor. Wo aber fand er jetzt Ursel oder eine andere Bademagd für den krönenden Abschluss des Tages? Noch nie hatte er eine Frau für die Liebe bezahlt, und als er spürte, wie ihm sein Haar in weicher Welle über die Schläfe strich, war er sicher, dass auch heute Mangel an Geld kein Hindernis darstellen würde.
Auf der vor Nässe glatten Stiege kam ihm endlich Ursel entgegen. Allerdings hatte sie einen neuen Gast im Schlepptau und scheuchte Diether mit einer unwirschen Geste aus dem Weg. Diether hätte um ein Haar einen Satz rückwärts vollführt. Der Gast,
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