Das Mädchen aus Bernau: Historischer Roman (German Edition)
betörenden Lisbeth Schönbein hat.« Der Badeknecht grinste, stellte das Schild ab und reichte Diether die Hand. »Hans bin ich. Hans vom Bader, das genügt und ist mein Adel. Was sagst du zu zehn Pfennigen? Für alles, versteht sich. Warm baden, reichlich Dampf, Bart scheren und frisieren. Nur der Honigwein, den du trinkst, kommt dazu, aber den schreib ich dir aufs Kerbholz, und das hat bei uns noch keiner am selben Tag beglichen.«
»Diether Harzer.« Mit Schwung schlug er in die gebotene Hand ein. Dieser Hans mochte einem ehrlosen Beruf nachgehen, aber er war sichtlich ein netter Kerl, und einen Kumpan, der ein bisschen Frohsinn verbreitete, konnte Diether gut gebrauchen. Dass er keine lumpigen zehn Pfennige im Beutel hatte, tat ihm im Herzen weh. So abgerissen sollte ein Mann aus guter Familie wahrlich nicht herumlaufen müssen.
»Das Wasser ist schön warm«, lockte der Badeknecht. »Und Rosenwasser setze ich auch zu, dann kann dir nicht mal eine Spandauer Ritterstochter widerstehen. Weißt du eigentlich, woran unsere Mädchen von der Spree erkennen, dass einer wie du von anderswo kommt?« Als Diether keine Antwort wusste, lachte er. »Am Geruch. Die betörende Lisbeth Schönbein sagt: Einerlei womit die von draußen sich Butter und Brot verdienen, die Wolke von Ziegendung klebt ihnen immer an den Backen.«
»Pass auf, dass an deinen Backen nicht gleich meine fünf Finger kleben«, drohte Diether. Dann aber boxte er den anderen in die Seite, wie er es bei Endres getan hatte. »Sag mal, wenn dein Herr ohnehin mit seiner Buhlin beschäftigt ist – könntest du mir den Preis dann nicht ganz nachlassen? Zur Einführung sozusagen, damit ich keine Katze im Sack kaufen muss – und am Ende nicht in Rosenwasser, sondern in deinem Nachttopf schwimme.«
»Für nichts und wieder nichts soll ich dich baden lassen?« Hans schüttelte den Kopf. »Geht nicht, mein Freund. So leid’s mir tut. Muss mir ein bisschen was zur Seite schaffen, du verstehst?«
»Gar nichts versteh ich.«
Hans ließ die Augen rollen. »Ein herzallerliebstes Mädchen.«
»Und die knöpft dir so viel ab, dass du deinen Herrn betrügen musst?«
»Der Herr kann’s verkraften«, erwiderte Hans gleichmütig. »Meine Ursel und ihre Schwester brauchen’s nötiger als der.«
In Bernau hatte Diether selbst eine Ursel gekannt. Unwillkürlich musste er daran denken, wie es sich anfühlte, einem Mädchen in den Armen zu liegen, von einem Mädchen das Haar gestreichelt zu bekommen, ihr Liebeswispern zu hören und unter ihren Zärtlichkeiten alle Qualen und Dämonen zu vergessen. »Sie hat eine Schwester, deine Ursel?«, fragte er.
Hans nickte. »Ja, die Gretlin, das arme Ding.«
Ohne Zweifel Badehuren, die verliebten Tölpeln das letzte Hemd auszogen. Im Augenblick aber war Diether nicht wählerisch. »Ich hol dir das Geld«, sagte er zu Hans. »So abgebrannt, wie ich mich gebe, bin ich nämlich nicht.«
»Wirst’s nicht bereuen.« Sein neuer Gefährte strahlte. »Ich dreh nur rasch meine Ausrufrunde zu Ende, dann fülle ich dir einen Zuber, ganz für dich allein.«
Während er röhrend mit seinem Schild von dannen zog, schlich Diether sich in sein eigenes Heim wie ein Dieb. Was heißt wie ein Dieb?, durchfuhr es ihn. Er war einer. Nicht viel besser als Wegelagerer, die den Vater um ein paar Münzen willen überfallen hatten …
Halt!, rief er sich zur Ordnung. Der Vater war um ein paar Münzen willen überfallen worden, so oft Diether sich das auch vorbetete. Und er überfiel seine Familie nicht, sondern lieh sich einen geringen Betrag von seinem Bruder, um sich herzurichten, wie es sich für einen Händler ziemte. Schließlich wurde das Geld für das Wachs erst morgen Abend abgeholt, und bis dahin würde er die lächerliche Summe ersetzen. Auf Zehenspitzen schlich er zum Spind, zog die Tür auf und fuhr beim Kreischen der Scharniere zusammen. Er langte in die Schatulle und zählte blind die Münzen ab. Dann warf er alles wieder zu und war mit drei langen Sätzen aus dem Haus.
Hans hatte Diether nicht zu viel versprochen. Die Stunden im Badehaus waren dazu angetan, ihn nicht nur den Diebstahl, sondern alles, was ihn sonst noch quälte, vergessen zu lassen. Der Betrieb des Baders war in einem hohen Fachwerkgebäude, nur drei Häuser neben ihrem Kontor eingerichtet. Bereits in der Empfangsstube wallten Diether Düfte entgegen, die ihm die Sinne schwinden ließen. Er glaubte Muskat wahrzunehmen, die unbezahlbare, bitterschwere Note, die ihn mit
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