Das Mädchen aus Bernau: Historischer Roman (German Edition)
hinaus Berühmtheit erlangte, und Gretlin und Petters spätere Gattin als Freundinnen, die sich gegenseitig zu den üppigsten Mahlzeiten luden.
Der Erfüllung des Traumes lag nur ein Stein im Weg, doch der war ein Brocken vom Umfang eines Felsens: Um bei Petter vorstellig zu werden, hätte er sein Gespinst aus Lügen aufgeben und seinen wahren Stand bekennen müssen. Gerade vor Petter aber war das gänzlich undenkbar, denn vor ihm hatte er in den höchsten Tönen geprahlt. Mit den Getreidesäcken, die er für Magda hatte verscherbeln sollen, war er bei ihm eingerückt wie mit einer Fuhre Gold: Feinste Ware habe er anzubieten, für solchen Preis nirgendwo zu haben und nur zum Verkauf, weil er sein Sortiment umstellte und derzeit noch auf die Genehmigung wartete. »Brief und Siegel – das kennt man ja, dass die Herren in den Amtsstuben sich damit gern Zeit lassen.«
»Ja, ja«, hatte Petter beiläufig zur Antwort gegeben, »lass nur hören, was du bekommst und wann die Säckchen geliefert werden. Mehr brauch ich nicht zu wissen. Wenn du mir sagst, das Zeug ist sein Geld wert, genügt mir das.«
Offenbar sah Petter einen Händler von Rang in ihm, und in diesem Glauben hatte Diether ihn weidlich bestärkt. Wie sollte er das rückgängig machen, ohne Petters Achtung, Hans’ Freundschaft und womöglich gar Gretlins Liebe zu verlieren? Ich müsste einmal etwas richtig Großes tun, dachte er, nicht nur in der Kneipe vollmundig Sprüche klopfen, sondern etwas Unglaubliches vollbringen, das sie alle von den Füßen reißt.
Wenn nun er es wäre, der ihren Gegnern, den Pfaffen, die Stirn bot, der ihnen furchtlos entgegentrat – wäre ihnen dann nicht gleichgültig, ob er nun Diether, der betuchte Händler, oder Diether, der künftige Bäcker und zugleich ein Held war? Nichts hätte er lieber getan, als seinen Freunden zu beweisen, dass er für sie zu allem bereit war. Sie glaubten an ihn, und er wünschte sich eine Tat, die diesen Glauben belohnte.
Da sich zu einer solchen Heldentat jedoch keine Gelegenheit bot, musste er sich weiter mit seiner Not herumschlagen. Am schlimmsten war, dass die Aussicht auf eine Heirat ohne Geld in unerreichbare Ferne rückte. Diether sehnte sich danach, mit Gretlin allein zu sein, doch dazu waren sie auf halbwegs sommerliches Wetter angewiesen. Er mochte sein zartes Mädchen keinem Regen aussetzen, und in ihrer Kammer war kein Beisammensein möglich, weil er nicht wollte, dass Leute übel von Gretlin dachten. Sie war seine Braut, kein Flittchen. Hans empfand ähnlich, und so blieb ihnen an Regentagen nichts übrig, als sich mit Gretlin und Ursel an den Schanktisch zu setzen.
Es machte Diether stolz, sich mit Gretlin zu zeigen, aber es war nicht dasselbe, wie seine Liebste für sich zu haben. Zudem schämte er sich, weil er nicht einmal genug Geld im Beutel hatte, um ihr einen Bückling und einen Becher Dünnbier zu kaufen.
Zumeist bezahlte Petter für seine Getränke, und wie selbstverständlich lud er auch Gretlin ein, doch es war nicht recht. Als es drei Tage hintereinander regnete, wäre Diether am liebsten gar nicht mehr in die Rippe gegangen, aber die Sehnsucht war stärker als die Scham. Er traf Hans, sobald das Badehaus schloss, und gemeinsam holten sie Ursel und Gretlin aus der Dachkammer. Am Stammtisch war die vertraute Runde schon versammelt. Petter hatte Rheinwein bestellt und schickte sich freigiebig an, den Neuankömmlingen einzuschenken. »Knurrt den Herrschaften der Magen?« Wie immer schien er blendender Laune. »Unser Caspar hat ein paar Hühnern den Hals umgedreht, und deren knusprige Schenkelchen sind nicht zu verachten.«
»Lass gut sein«, sagte Hans und bedeckte seinen Becher mit der Hand. »Zur Abwechslung halte einmal ich die Runde frei. Den Herren Badegästen saß das Geld heute locker, und was mein ist, ist auch euer – also, was darf ’s sein? Zwei Schüsseln von dem Huhn für alle und dazu noch von dem Rheinischen?«
Applaus und Glückwünsche prasselten auf Hans nieder, und Petter versetzte ihm einen Klaps auf die Schulter. Als die Krüge gebracht wurden, hoben alle ihre Becher auf sein Wohl. »Und auf Euch, holde Jungfer Ursula!«, rief Alban, der Kürschner. »Euer Bräutigam ist ein wahrer Brandenburger – er besitzt das Herz eines Adlers, und seine Taschen sind so weit wie unsere Heide. Mögt Ihr ihm stets ein gesegnetes Lager und eine ansehnliche Kinderschar schenken.«
Die Übrigen johlten, Hans errötete bis über die Ohren, und Diether wäre am
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