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Das Mädchen aus Bernau: Historischer Roman (German Edition)

Das Mädchen aus Bernau: Historischer Roman (German Edition)

Titel: Das Mädchen aus Bernau: Historischer Roman (German Edition) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Charlotte Lyne
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liebsten zwischen den Dielenbrettern im Boden versunken. Er konnte nie den Wohltäter spielen, seine Gretlin würde niemand wie eine Ritterstochter mit Jungfer ansprechen, und ihrem Wohl würde auch nie ein Trinkspruch gelten. Stattdessen würde über kurz oder lang jeder ahnen, dass es mit seinen Geschäften nicht weit her war. Sie drängte sich an ihn, seine Herzensgeliebte, und hätte sämtliche Reichtümer unter der Sonne verdient. Rasch langte er über den Tisch, säbelte eine dicke Scheibe Brot vom Laib und angelte einen Hühnerschenkel aus dem Topf, den er ihr fein und klein auf dem Brot zerlegte. »Lass es dir schmecken, meine Goldene. Ich bin heilfroh, dass du dir langsam ein wenig Fülle zulegst und ich keine Angst mehr haben muss, der nächste Windstoß könnte dich von dannen blasen.«
    Fragend blickte sie zu ihm auf, als müsse sie ihn um Erlaubnis bitten, ehe sie es wagte, die Speisen anzurühren. Er fand diese Geste genauso reizend wie ihre Art, mit spitzem Mündchen und in winzigen Bissen zu essen. Wie amüsant wäre es, sie und Magda zu einer gemeinsamen Mahlzeit zu laden und sich an dem Gegensatz – die Wölfin und das Mäuslein – zu vergnügen! Er war sicher, die beiden würden auf Anhieb Gefallen aneinander finden, doch wie konnte er Gretlin ins Haus seiner Familie bringen, ohne alles aufzudecken? Seiner Prahlerei nach musste sie sich eine Art Palast vorstellen, wie der verdammte Bechtolt ihn besaß, kein schäbiges Holzhaus, in dem es stärker nach Malz und Hefe roch als in jeder Schänke.
    Ein anderer Gedanke kam ihm: Musste Gretlin ihn nicht für einen Geizkragen halten, weil er sich von anderen freihalten ließ? Und noch schlimmer – da sie ja glaubte, er sei ein begüterter Mann, musste sie sich nicht fragen, warum er nicht auf ihre Hochzeit drang? Am Ende würde sie annehmen, er triebe ein Spiel mit ihr und sie, der mittellose Flüchtling, wäre ihm als Gattin nicht gut genug!
    Wie um ihn zu beruhigen, schmiegte sie sich enger an ihn. Nicht zum ersten Mal hatte er das Gefühl, sie lese seine Gedanken, sie durchschaue ihn bis auf den Grund seines Herzens, sehe alles Leuchtende und alles Schwarze darin. Wenn sie dazu jedoch tatsächlich fähig war, dann durfte er aufatmen. Dann nämlich kannte sie auch das Schlimmste, und er durfte sicher sein, dass sie sich durch nichts auf der Welt von ihm trennen ließ.
    Vielleicht hätte er den Mut haben sollen, ihr alles zu erzählen, sich die steinerne Last von der Brust zu schaffen, doch so weit war er noch nicht. »Ich liebe dich, Gretlin«, raunte er stattdessen und streichelte ihr übers Haar, das sie züchtig unter einem dünnen Netz trug. Früher hatte er über züchtige Mädchen gespottet, aber an Gretlin gefiel es ihm.
    »He, mein Kumpan aus Bernau.« Petter rutschte auf der Bank zu ihm heran. »Hast du schon die Nachricht vernommen, mit der unser Alban hier hereingeplatzt ist? Ja, natürlich hast du’s gehört, du stehst ja mit deinen Sächelchen bei der Marienkirche, oder etwa nicht? Auf dem Neuen Markt, sagt Alban, wurde den ganzen Nachmittag über nichts anderes geschwatzt.«
    »Ich war heute im Brandenburgischen«, redete Diether sich heraus. »Das Angebot sichten, ehe ich mein Lager aufstocke. Leider habe ich noch keine Zeit gefunden, mich daheim nach dem Neuesten umzutun.«
    »Na, dann habe ich dir einen vom Pferd zu erzählen!« Der Bäcker klatschte sich auf den Schenkel. »Was glaubst du wohl, was der Herr in Avignon, Gottes Statthalter auf Erden, befunden und beschlossen hat? In Brandenburg hat’s trotz Schlachten und Brandschatzen mit der Ketzerei kein Ende, meint er, und der schwärzeste Sündenpfuhl von allen ist die freche Doppelstadt! Um die Gotteslästerer ein für allemal in ihr Verderben zu reißen, will er uns seine Gesandten schicken, die uns Mores lehren. Ehe die eintreffen, sollen uns die schärfsten Köter aus dem Umland aber schon einmal in die Waden beißen – allen voran Nikolaus Cyriacus, seines Zeichens Propst von Bernau!«
    Petter legte eine effektvolle Pause ein und blickte in die Runde. »Na«, fragte er dann, »erinnert sich noch einer, was ich mit jenem sauberen Herrn gern anstellen würde?«
    »Und ob!«, rief Diether. »Du hast geschworen, du würdest Brezelchen aus ihm backen.«
    »Brav«, lobte Petter. »Du hast ein Gedächtnis wie ein Klosterarchivar. Und dieser Herr soll nun also am Sechzehnten, zum Markttag, in unserer Marienkirche predigen und uns bösen Buben die Höschen stramm ziehen.«
    »Da

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