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Das Mädchen aus Bernau: Historischer Roman (German Edition)

Das Mädchen aus Bernau: Historischer Roman (German Edition)

Titel: Das Mädchen aus Bernau: Historischer Roman (German Edition) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Charlotte Lyne
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Familie von ihm hatte. Diether war heilfroh, wenn er nach einem solchen Schlag ins Gesicht die Münzen einstecken und Hals über Kopf in die Rippe , zu Hans oder zu seiner Gretlin flüchten konnte. Das mitgebrachte Geld reichte nie, um wie versprochen Caspar, den Wirt, zu entlohnen, doch daraus drehte ihm Hans keinen Strick. »Lass dir darüber keine grauen Haare wachsen, alter Freund«, tröstete er. »Wenn dein Geschäft erst richtig anläuft, versorgst du uns alle wie die Fürstenkinder, und bis dahin muss ich mir eben ein paar mehr Kunden auf die Seite schaffen. Die Amelie hält dicht, und der Herr vergnügt sich demnächst wieder bei der betörenden Lisbeth Schönbein.«
    Amelie war die Magd, die Diether bei seinem Besuch im Badehaus für Ursel gehalten hatte, und die betörende Lisbeth Schönbein war eine gewiefte Hure, die dem Bader den Kopf verdrehte. Anfangs hatte Diether befürchtet, der Bader werde Hans, wenn er ihn bei seinen Mauscheleien erwischte, wegen Unterschlagung vor den Rat zerren: »Dafür wirst du gebrandmarkt, oder sie hacken dir die Hände ab. In jedem Fall treiben sie dich aus der Stadt.«
    »Nie im Leben«, hatte Hans abgewinkt. »Wenn der Herr mich erwischt, bezieht mein armer Arsch ein gepfeffertes Dutzend und Schluss.«
    »Bist du dir sicher? Der Bader müsste der mildeste Dienstherr von ganz Brandenburg sein, wenn er dich damit davonkommen ließe.«
    »Er lässt mich davonkommen«, sagte Hans, und dann bewies er Diether, wie nahe er ihm inzwischen stand, indem er ihm sein Geheimnis anvertraute: Der Bader war nicht nur sein Dienstherr, sondern sein leiblicher Vater. Seine Mutter, eine Badehure, die den Reiz einer Lisbeth Schönbein nie besessen hatte, war gestorben, als Hans ein Knirps gewesen war, und der Bader hatte es nicht über sich gebracht, sein Fleisch und Blut in die Gosse zu stoßen. Seither lebte Hans unter seinem Dach und erlernte sein Handwerk, ohne die Aussicht, je den Betrieb zu erben. »Den hinterlässt er seinem Neffen, denn ich bin ja nur ein Hurenbalg zur linken Hand. Du siehst, du hast dir einen zum Freund genommen, der ehrloser als ehrlos ist. Und die arme Ursel hat auch nicht klüger gewählt. Sobald einer wie ich eine Kirche betritt, müsste von Rechts wegen das Dach einstürzen.«
    »Du bist nicht ehrlos«, platzte Diether voll Empörung heraus. »Ich gebe auf Pfaffengeschwätz so wenig wie Petter Tietz, schreib dir das hinter die Ohren. Du hast mehr Ehre im Leib als der ganze gesalbte Haufen zusammen, und wenn einer von den geschorenen Köpfen es wagt, dich zu kränken, soll er sich vor mir hüten, denn ich bringe ihn um.«
    »Sag doch so was nicht, Diether«, murmelte Hans und starrte ihn tief beeindruckt an. »Man weiß ja nie, wer einen hört.«
    »Das kratzt mich nicht!«, bekundete Diether triumphierend. »Du weißt doch: Wird der Prügel zu oft geschwungen, wächst dem Hintern Hornhaut.«
    Sie tauschten einen verschwörerischen Blick, schlangen einander die Arme um die Schultern und zogen vereint in den Schankraum der Rippe.
    Ja, Diether genoss sein Leben in diesem Sommer, der womöglich noch regnerischer und trüber verlief als die Sommer davor, der ihm aber erfüllt von Licht und Wärme erschien. Er, Diether Harzer, der wie von Dämonen gejagt von einem Abenteuer ins nächste gestürzt war, hatte wahrhaftig die Liebe gefunden, und das war ein Wunder ohnegleichen. Leider jedoch bewirkte die Liebe nichts gegen seine Geldknappheit und seine Sorge um die Zukunft. Wenn er Gretlin heiraten wollte, und das wollte er mehr als alles auf der Welt – wovon sollte er sie kleiden und nähren, wie ihr ein Dach über dem Kopf verschaffen?
    In manchen Nächten malte er sich aus, wie er sich an Petter Tietz um Hilfe wandte. Der klagte nicht selten darüber, dass er mit der Arbeit in der Bäckerei nicht nachkam und einen tüchtigen Lehrling gut hätte brauchen können. Diether war für die Lehre zu alt, und der Gedanke kratzte an seiner Würde, doch wenn er sich anstellig zeigte, würde er ja nicht lange Lehrling bleiben. Die Wanderjahre ließen sich gewiss umgehen, die Stimme von Meister Tietz hatte schließlich Gewicht in der Bäckerinnung, die die älteste in ganz Berlin war. Und das Handwerk würde ihm sicher liegen. Er schmeckte gern ab, stellte Aromen und Würzmittel zusammen, die dem Gaumen schmeichelten oder ihn reizten – warum sollte er also nicht zum Bäcker taugen? In seinen Träumen sah er sich und Petter bereits als Partner, deren Backwerk über Berlin

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