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Das Mädchen aus Bernau: Historischer Roman (German Edition)

Das Mädchen aus Bernau: Historischer Roman (German Edition)

Titel: Das Mädchen aus Bernau: Historischer Roman (German Edition) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Charlotte Lyne
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der Traum wieder über sie käme, wäre sie auch damit nicht allein, sondern hätte ihren Liebsten, um die Angst zu teilen. Er schreckte nie zurück, duckte sich nie unter einer Last hinweg und überließ sie ihr. Auf Thomas hatte sie sich in all diesen Wochen verlassen können wie nie zuvor auf einen Menschen. Weil er stark war, hatte sie gelernt, schwach sein zu dürfen, und fühlte sich eben deshalb stark bis zum Platzen.
    Jetzt kniete sie sich auf ihn und stemmte ihm die Hände in die Schultersehnen, bis er ächzte. »Sag, dass du mich liebst bis an dein Lebensende.«
    »Autsch, du erbarmungsloses Mädchen! Was an meinem Lebensende ist, das weiß ich nicht, und wenn du mich zu Tode folterst.«
    »Ich warne dich! Lüg oder ich stütze mein ganzes Gewicht drauf.«
    »Das tust du ohnehin schon, meine Süße, und du bist nicht gerade eine Elfe.«
    Sie gab eine seiner Schultern frei und verpasste seinen Lippen einen Klaps. »Auch noch beleidigen lassen muss ich mich von dir?«
    »Aber nicht doch«, sagte er, packte sie mit seiner zärtlichen Bestimmtheit und setzte sich mit ihr auf. »Wer möchte denn eine Elfe umarmen und ihr die Knöchlein brechen, wenn er stattdessen ein Mädchen halten kann, bei dem er spürt, dass es lebt?«
    »Was möchtest du?«
    »Dich. Auch wenn ich nicht darf.«
    »Ihr dürft, mein Herr. Heute ausnahmsweise, weil’s der Tag der heiligen Afra ist.«
    »Es ist was?« Er stockte, erstarrte, ließ sie aus seinen Händen gleiten.
    »Der Tag der heiligen Afra – aber was ist denn? Ich habe doch nur ein bisschen Kohl geschwatzt, ohne nachzudenken, so wie alle Tage. Ein Händler aus Augsburg hat’s mir auf dem Markt erzählt, weil die Afra Augsburgs Schutzpatronin ist, weiter nichts.«
    Er atmete tief ein, dann zog er sie in die Arme, sodass ihr Gesicht an seiner Schulter ruhte. Seine Hand schloss sich um ihren Hinterkopf, und an ihrem Ohr vernahm sie, dass sein Atem noch immer schwer ging. »Sie ist verbrannt worden«, sagte er schließlich.
    »Die heilige Afra?«
    Er nickte und küsste sie. » Maddalena bella , liebste Bernauerin, wir müssen irgendwo unsere tief verschüttete Vernunft wiederfinden und aufhören zu tun, was wir tun.«
    »Der Kohl, den du schwatzt, ist schlimmer als meiner«, schimpfte sie, machte sich frei und gab ihm einen Nasenstüber, aber der Unterton seiner Stimme tat ihr weh. »Das mit der heiligen Afra war dummes Zeug, das ich eben vor mich hin geredet habe, weil ich dir ja nicht unaufhörlich in die Ohren säuseln kann, wie lieb ich dich habe und wie hübsch ich deine Augen finde. Davon wirst du eingebildet, und das bist du ohnehin schon so grauslig, dass du dir am liebsten einen Spiegel um den Hals hängen würdest.«
    »Tatsächlich?« Er hob die Brauen und fuhr sich mit der Hand ins Haar. Obwohl sie dieses Spiel nicht zum ersten Mal mit ihm spielte, schien er alles andere als sicher, ob sie scherzte oder im Ernst sprach.
    »Aber gewiss doch!«, rief sie. »Denkst du, dieses hässliche Ding, das du eine Kutte nennst, verbirgt einen eitlen Mann?«
    »Nein«, erwiderte er entwaffnet. »Aber ich hatte gehofft, ich hätte mich gebessert.«
    Sie küsste die Grube an seinem Hals und dann die Grube zwischen Kiefer und Ohr. »Bessere dich nie, Thomas, lass das ganze Gebessere sein. Was ist denn so schlimm daran, wenn ein Bursche weiß, dass er nicht übel anzuschauen ist, was ist so schlimm an uns ungebesserten Menschen? Wir tun unsere Arbeit. Wir besorgen unser Haus. Wir sündigen ein bisschen und erzählen es dem Pater, und zum nächsten Sonntag zahlen wir den Zehnt. Wenn Gott uns noch besser will – weshalb hat er sich dann eigentlich nicht mehr Mühe gegeben und uns besser gemacht?«
    Wenn er nicht auf der Hut war, wenn es ihn einfach überrumpelte, war sein Lachen überwältigend. Er lehnte sich zurück, hielt sie gerade noch fest und lachte frei und schallend in den Himmel.
    »Das soll ich nicht dem Beichtvater erzählen, oder? Das, was ich da vor mich hin geplappert habe?«
    Er zog sie an sich und stürzte sich auf sie, bis kein Zoll Haut in ihrem Gesicht mehr ungeküsst war. »Beichtväter sind eine Sache für sich«, sagte er und lachte zwischen den Worten noch immer Tränen. »Mit denen lässt man besser Vorsicht walten. An Gottes Stelle aber würde ich keinen Herzschlag zögern, sondern dich auf der Stelle heiligsprechen.«
    »Ich will nicht heilig sein, Thomas!«
    »Das ist nicht zu übersehen, meine Teure. Welcher eitle Kerl, der dich haben kann, braucht einen

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